Der Teufel in uns - Mord in Bonn
Zeichen von Armut, Fanatismus, Gewalttätigkeit, Wahnsinn? Keine der Damen sah arm aus oder wirkte gewalttätig. Obwohl er bei den schwarzhaarigen, dünnen Zwillingsschwestern schon den einen oder anderen fanatischen Gesichtsausdruck bemerkt zu haben glaubte. Vor allem die eine, die sich gerade ein Glas Saft mit Wasser geholt hatte, war ihm aufgefallen. Sie hatte ihn gleich mehrmals mit ihren blaugrünen, katzenartig geschminkten Augen ins Visier genommen, und zwar mit Blicken, als sei er Satan höchstselbst. Beim letzten Mal war sie sogar leicht grün im Gesicht geworden, als müsse sie sich bei seinem Anblick jeden Moment übergeben. Das nahm er ihr übel.
Bei seiner Sitznachbarin, einer Frau in den Siebzigern mit weißer Dauerwellfrisur und dünnen Lippen, erkundigte er sich nach dem Namen der Zwillinge.
„Die heißen Tabea und Daniela und betonen gern, dass sie beide von Anfang an dabei waren. Ich glaube ja, dass Tabea schwer in Jonas verknallt ist, also wie die den immer anhimmelt...“, flüsterte die Frau und gab gleich gratis ein paar Geschichten zum Besten.
Sascha hörte genau zu und fand mehr und mehr Gefallen an der Vorstellung, dass die Zwillinge gemeinsam gemordet haben könnten. Ungemein praktisch für die beiden war auch, dass sie die Polizei mit ihrem identischen Aussehen herrlich foppen konnten. Wenigstens hatten sie – neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge – keine identischen Fingerabdrücke und auch kein identisches Genmaterial.
Sascha zog sich auf die Toilette zurück, um die geniale Idee von den Zwillingsmörderinnen (und ein paar andere Gedanken) niederzuschreiben.
Wieder im Saal, der zwar sehr groß, aber auch sehr renovierungsbedürftig war, setzte sich Sascha neben eine ca. vierzigjährige Blondine, um sie ein wenig auszuhorchen, aber sie machte ihn unwirsch darauf aufmerksam, dass sie Jonas’ Vortrag über die Selbstfindung zuhören wollte. Prompt setzte er sie auf seine Liste der Verdächtigen.
Gegen 20 Uhr löste sich die Versammlung allmählich auf. Ein paar kleine Gruppen standen noch beisammen, um sich zu unterhalten, während die Bedienungen anfingen, Gläser von den Tischen zu räumen.
Sascha sah dabei zu und wurde das Gefühl nicht los, dass hier irgendetwas falsch lief. Er zerbrach sich den Kopf, was es sein könnte – und dann hatte er es. Verdammt, warum war er nicht ein paar Minuten früher darauf gekommen! Er ärgerte sich maßlos und stellte sich sofort vor die Saaltür, fing eine Kellnerin nach der anderen ab, zeigte diskret seinen Ausweis und ordnete an, die Tabletts mit den Gläsern in einem ungenutzten Raum abzustellen und den Leuten von der Sekte nichts darüber zu sagen. Dann rief er Walter von der Spurensicherung an und bat ihn, mit ein paar Leuten ins Lokal zu kommen.
Kapitel 10
Bonn, Polizeipräsidium - Donnerstag, 15. Mai, 7.55 Uhr
Sascha saß bereits am Schreibtisch, als Andreas eintraf. Der frischgebackene Vater sah müde und missmutig aus. Durch das geöffnete Fenster kam angenehm kühle Morgenluft herein. Es duftete nach frischem Kaffee. Andreas nahm sich eine Tasse und setzte sich.
„Wie läuft’s denn so? Schläft dein Sohn schon durch?“, fragte er.
„Deine Witze waren auch schon besser! Gabriel will alle drei bis vier Stunden gestillt werden, wobei es ihm herzlich egal zu sein scheint, dass andere Leute nachts schlafen wollen“, knurrte Sascha und griff zu seinem Kaffee. „Annika kann demnächst mit Gabriel in ihrem eigenen Zimmer schlafen. Sie muss ja tagsüber nicht zur Arbeit gehen!“
„Und wenn sie das nicht will, ziehst du aus oder was?“
„Das könnte passieren“, behauptete Sascha und gähnte.
„Ist wenigstens bei deinem Sektenbesuch was rausgekommen?“
„Wenigstens? Das klingt, als käme bei meinen Ermittlungen nie was raus!“
„Und du klingst, als hättest du postnatale Depressionen!“
Sascha schaute gequält aus dem Fenster. „Ich ärgere mich nur! Wenn ich nicht so dämlich gewesen wär, hätte ich gestern wahrscheinlich die Raubmorde aufklären können!“
„Bitte?“
„Ja – wär mir das mit den Gläsern ein paar Minuten früher eingefallen, hätte ich der Bedienung sagen können, sie soll die Gläser auf dem Tisch stehen lassen, bis die Leute weg sind. Verflixt noch mal!“ Sascha starrte immer noch verärgert nach draußen. Dann kam er endlich zum Kern der Sache. „Ich habe gestern Abend Walter zum Lokal kommen lassen, damit er die Fingerabdrücke von den Gläsern der
Weitere Kostenlose Bücher