Der Teufel in uns - Mord in Bonn
Uhr
Gottfried stand unter der Dusche und summte eine Melodie vor sich hin. Das passierte ihm öfters, wenn er an Tina dachte. Nach dem Duschen zog er ein am Vortag gekauftes, dunkelblaues Polo-Shirt an, das richtig gut an ihm aussah. Der perfekte Kontrast zu Jonas.
Sorgfältig kämmte er sich die dunkelbraunen Naturlocken, brachte den Bart noch ein bisschen in Form, schrubbte die Zähne und fühlte sich bereit für die nächste Phase der Eroberung. Er hatte sich sogar, wenn auch sehr widerwillig, von einer Verkäuferin einen ,Herrenduft‘ aufschwatzen lassen... Nun denn, wenn es half.
Kurz nach halb sechs machte sich Gottfried sauber und gut riechend auf den Weg nach Troisdorf, wo die heutige Versammlung der Gemeinde stattfinden sollte. Es war nur gerecht, wenn mal die einen, mal die anderen Gruppenmitglieder nicht so weit zu fahren hatten. Aber wo blieb die Gerechtigkeit, wenn das Gemeindezentrum fertig war? Oder hatte Jonas ein mobiles Zentrum geplant?
Gottfried verzog den Mund zu einem leicht verächtlichen Lächeln. So wirklich glaubte er gar nicht an dieses Projekt. Laut Tina reichte das Geld hinten und vorne nicht, und ein Standort, auf den sich alle einigen konnten, war auch noch nicht gefunden. Jonas war ein Spinner, ein Mann des großen Wortes, aber kein Mann der Tat. Auch Tina würde das noch merken.
Und schon war Gottfried wieder bei seinem Lieblingsthema und malte sich aus, wie er Tina in die Arme schloss und zum ersten Mal küsste, behutsam und liebevoll, wie er mit ihr auf sein Bett sank, wie er ihr ein Kleidungsstück nach dem anderen vom narbenübersäten Körper streifte, wie er auch die Narben streichelte und küsste … bis er sich zu fragen begann, ob das die richtige Vorgehensweise im Fall Tina war. Vielleicht sollte er die Narben komplett ignorieren, sonst konnte er sich am Ende seine sämtlichen Verführungskünste in die Haare schmieren!
Er zerbrach sich noch ein wenig den Kopf, dann war er auch schon in Troisdorf angekommen und konzentrierte sich lieber darauf, das Lokal zu finden. Er dankte Gott für dieses Treffen und für den Parkplatz ganz in der Nähe. Auf dem Weg zum Lokal hielt er Ausschau nach Tinas Auto, aber anscheinend kam sie heute später.
Im Saal hielten sich schon ein paar Dutzend Leute auf, und die Lautstärke war entsprechend. Der Stil des Lokals gefiel Gottfried nicht besonders: konservativ-hausbacken bis schäbig. Neben der breiten Tür gab es zwei altmodische Holzkleiderständer mit gebogenen Haken und ein paar Jacken daran. Sie standen so schief, als wollten sie jeden Augenblick umfallen.
Auf den Stühlen lagen plattgesessene Kissen in Rot mit weißen Herzchen und kleinen Löchern. Vor den Fenstern mit den rauchgebräunten Vorhängen vegetierten ein paar große Pflanzen mit gelblichen Blättern vor sich hin. Vielleicht war ein Gemeindezentrum doch keine so schlechte Idee.
Während sich Gottfried zu seinem Stammplatz in Jonas’ Nähe durch die Leute schob, wurde er begrüßt und angesprochen, und er hielt hier ein Schwätzchen und dort ein Schwätzchen, und es war ein gutes Gefühl (ein neues Gefühl), von so vielen Leuten gemocht und respektiert zu werden.
Jonas, der wieder von mehreren Frauen umlagert wurde, winkte er nur zu. Das fehlte ihm noch, dass Jonas ihn umarmte und abküsste! Er setzte sich neben Jakob, der wie immer aussah wie eine wandelnde Leiche, und nickte Ramona zu, die ihm gegenüber am Tisch saß, mit einer Miene, als habe sie Magen-, Kopf- und Zahnschmerzen gleichzeitig.
„Hallo, du siehst aber gar nicht gut aus... Steckt dir die Sache von Sonntag noch in den Knochen?“
„Wahrscheinlich“, brummte sie und verstummte gleich wieder.
„Wo ist denn dein Freund und Retter?“
Mit dem Kopf deutete sie nach rechts, und ja, da war er, dieser komische Filmtyp mit seinem albernen Hut und der Brille, die definitiv nach Verkleidung aussah. Er saß zwischen zwei älteren Frauen, die ihn vollquatschten. Oder er horchte, falls er doch von der Polizei war, die beiden aus. Vielleicht wurde sogar alles, was sie sagten, aufgezeichnet!
Und wenn schon! Wurde hier irgendwas gesagt, das gegen das Gesetz verstieß?
Gottfried entspannte sich und hörte auf ein Gefühl, das ihn zur Tür blicken ließ - und durch die Tür trat Tina, in engen Jeans und einem feuerroten Shirt mit halblangen Ärmeln, das er noch nie an ihr gesehen hatte. Ihr dickes, braunes Haar fiel in großzügigen Wellen offen über die Schultern.
Auf dem Weg zu ihrem Stammplatz wurde
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