Der Teufel in uns - Mord in Bonn
geschehen. Gleich, zum grandiosen Höhepunkt der Begegnung, würde die Frau Jonas einen gut gefüllten Umschlag über den Tisch reichen, und Jonas würde strahlen und sich gut gelaunt und charmant von der Frau verabschieden.
Da, jetzt war es so weit: Aus ihrer teuren, roten Handtasche holte die Frau (die Tina noch gar nicht kannte) einen rosafarbenen Umschlag und drückte ihn Jonas in die Hand.
Tina duckte sich noch tiefer hinter den Kartenständer und wartete ein paar Minuten. Für heute hatte sie genug gesehen. Als die Luft rein war, spazierte sie zu einer Eisdiele, kaufte sich drei dicke Kugeln Malaga-Eis in einer herrlich knusprigen Waffel und setzte sich damit in ihr Auto, während ihr Verstand weiter an einer Frage arbeitete, die sie sich bereits seit dem Vortag stellte. Sie musste endlich Gewissheit haben.
Nachdem sie die letzten Bissen Waffel mit Eis hinuntergeschlungen hatte, fuhr sie nach Hause und zog das Spendenbuch aus einer Schublade. Sie legte es geöffnet auf den Küchentisch, goss sich Limonade in ein Glas, dachte noch, wie gut, dass sie Jonas damals sämtliche Telefonnummern der Mitglieder abgetrotzt hatte, und fing an zu telefonieren.
Zuerst rief sie Marion an, eine warmherzige Frau Mitte 50, die einen arbeitssüchtigen oder aber fremdgehenden Mann zu Hause hatte (das hatte sie noch nicht herausgefunden), die ziemlich wohlhabend war und mit der man sich trotzdem gut unterhalten konnte.
„Hallo, Marion, stör ich gerade?“
Nein, im Gegenteil, Marion freute sich über den Anruf und begann, von ihrem Sohn zu erzählen, der endlich angefangen hatte, zu studieren. Tina ließ sie fünf Minuten reden, dann kam sie zur Sache. „Du hör mal, ich überprüfe gerade unser Spendenbuch, und ich sehe hier, dass Jonas bei dir 300,- Euro eingetragen hat... Da hat er sich doch sicher vertan, oder?“
Marion schwieg ein paar Sekunden, dann lachte sie auf. „300,- Euro? Nee du, da muss er wohl was verwechselt haben! Ich hab ihm 15.000,- Euro gegeben!“
„Ah ja, ich dachte mir schon, dass er in die falsche Zeile gerutscht ist.“
„Ich verstehe sowieso nicht, warum er unbedingt Bargeld haben will. Eine Überweisung wär doch viel einfacher!“
Auf diesen Einwand hin leierte Tina Jonas’ eigenwillige Begründung herunter, dass Bargeld anonym sei, und da es keine Belege gäbe, könne sich hinterher auch keiner der Spender mit seinen hohen Beträgen brüsten und Neid und Zank auslösen. Natürlich klang diese Begründung einleuchtender, wenn ein charmanter, charismatischer Lügner und Schwätzer wie Jonas sie vortrug. Prompt machte Marion Anstalten, über Jonas und seine manchmal unverständlichen Regeln zu diskutieren. Tina würgte das Gespräch ab und rief als nächste Tabea an, ihre einstige Konkurrentin. Als Tabea hörte, wer am Apparat war, wurde ihre Stimme eisig.
„Nun reg dich ab“, wies Tina sie ungeduldig zurecht. „Es geht nur um deine Spende... Jonas hat hier ins Buch 250,- Euro bei dir hingeschrieben, das stimmt doch sicher nicht.“
Tabea schwieg ein paar Sekunden lang. Vermutlich dachte sie darüber nach, welche Gemeinheit hinter Tinas Frage steckte, und ob sie darauf überhaupt antworten sollte. Tina trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte, hielt aber den Mund und wartete ab.
Schließlich meldete sich Tabea doch noch. „Natürlich stimmt das nicht! Es waren 10.000,- Euro!“, kam es ziemlich von oben herab.
„Gut, ich werde das korrigieren“, erklärte Tina geschäftsmäßig und legte schnell auf. Natürlich, dieses dürre Luder verkaufte mit seiner genauso dürren Zwillingsschwester im Schicki-Micki-Laden Klamotten zu Phantasiepreisen! Die zahlten 10.000,- Euro doch aus der Portokasse!
Nur kein Neid, befahl sich Tina. Die Frau hatte schließlich schwerwiegende psychische Probleme, wenn sie einem Mann wie Jonas hinterlief! Tina lachte, aber dann riss sie sich zusammen; sie musste weitermachen mit ihrer Befragung.
Während sie an ihrem Limonadenglas nippte, fiel ihr Blick auf Ramonas Namen. Die arme, unscheinbare Ramona, die kürzlich so unerfreulich und für sie selbst unerwartet ins Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit geschleudert worden war. Die immer wieder betonte, sie habe keinen Cent zu viel und könne sich rein gar nichts leisten. Die laut Spendenbuch immerhin 100,- Euro zusammengekratzt und abgegeben hatte.
War etwa auch dieser Betrag falsch? Tina glaubte ja eher nicht, hatte aber auf einmal ein komisches Gefühl im Bauch.
Sie wählte Ramonas Nummer, und
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