Der Teufel kommt raus: Kriminalroman
und Dillard wusste, dass sich seine auch nicht mehr unterdrücken ließen. Zudem hatte er draußen im Camaro immer noch den unberechenbaren Rick Allen sitzen, der in der Hitze von South Baltimore schmorte.
»Oma, ich muss jetzt los«, sagte Dillard, dessen Stimme vor Mitgefühl versagte.
»Bring mir nächstes Mal ein kühles Bier mit, Junge.«
Das brach den Bann. Sie sahen einander an und lachten voll gegenseitiger Bewunderung und Zuneigung. Als er Oma so anschaute, fasste Dillard einen spontanen Entschluss. Er lief zur Tür, machte sie zu und kehrte zu Oma ans Bett zurück.
»Oma, ich verrat dir ein großes Geheimnis, aber du darfst es keinem weitersagen.«
Die milchigen Eulenaugen spähten zu ihm auf. Dillard beugte sich theatralisch zu ihr herab, bis sein Mund nur noch Zentimeter vom Ohr seiner Großmutter entfernt war.
»Oma, ich und ein paar andere wollen die Zentrale des NAACP in die Luft sprengen.«
Die milchigen Augen wurden groß wie Basketbälle. Doch was seine Großmutter als Nächstes tat, verblüffte Dillard. Sie warf den Kopf in den Nacken und brach in Gelächter aus, das wie ein knarrendes Rad klang.
Sie hielt sich die Seiten und fing an zu weinen, nur dass es diesmal Tränen der Erheiterung waren, die durch die Furchen ihres verwitterten Gesichts rannen. Jetzt rang sie nach Luft, griff nach dem Inhalator und spritzte sich zwei schnelle Stöße in die Luftröhre, während ihr Körper immer noch vor Lachen bebte.
Dillard wandte sich ihr fragend zu und wartete darauf, dass sie mit Lachen aufhörte. Was um alles in der Welt war so lustig? Er hatte damit gerechnet, dass Oma beeindruckt wäre, sogar von Ehrfurcht erfüllt. Aber dass sie einen Lachkrampf bekam?
»Ihr wollt die Nigger in die Luft sprengen, hm?«, brachte sie schließlich keuchend hervor. »Markie, du bist mir vielleicht einer. Bring mir nächstes Mal ein Bier mit, hörst du, Junge?«
Und damit überkam Oma ein neuer Lachkrampf. Das Inhalationsgerät immer noch umklammert, ließ sie sich zurück aufs Bett kippen und strampelte mit ihren runzeligen Beinen.
Niedergeschmettert bückte sich Dillard und gab seiner Großmutter einen Kuss, die zu ihm aufsah und noch heftiger lachte. Als er sich aufrichtete, schnappte sie sich seine Hand und drückte sie schwach.
Ihr keuchendes Gelächter verfolgte Dillard über den ganzen Flur. Jeder Lacher war wie eine Ohrfeige für ihn. Er hatte soeben den zweiten größeren Fehltritt des Vormittags begangen, denn Oma von seinen Plänen zu erzählen, führte zu nichts. Er hatte gewollt, dass sie stolz auf ihn war, und sie hatte sich totgelacht.
Tja, selbst wenn sie alles ausplauderte, wer glaubte schon einer Altersheim-Bewohnerin, die erste Anzeichen von Alzheimer an den Tag legte? Dass Oma seine Behauptung bloß für einen absonderlichen Witz gehalten hatte, konnte Dillard ja nicht wissen.
Dillard hatte miese Laune, als er das Altersheim verließ. Als die Empfangsdame ihm ein fröhliches »Auf Wiedersehen!« nachrief, grunzte er nur und lief weiter.
Allen war schon wieder aus dem verdammten Wagen gestiegen!
Diesmal quasselte er an einem Münztelefon in der Nähe. Als Dillard zum Camaro blickte, sah er am Lenkrad etwas Glitzerndes aufblitzen. Seine Autoschlüssel!
Allen hatte Dillard gesehen, machte aber keine Anstalten, sein Gespräch so schnell wie möglich zu beenden.
Dillard griff durchs Beifahrerfenster, zog den Zündschlüssel raus und lief schnellen Schrittes auf Allen zu, der prompt den Hörer aufknallte und gleichgültig zum Camaro schlenderte. Ein Zusammenstoß zwischen den Männern – wenn nicht heute, dann sehr bald – war unausweichlich.
»Mit wem hast du geredet?«
»Mit meinem Mädchen. Warum?«
»Steig in den Wagen.«
Schweigend fuhren sie über den glühenden Asphalt, ohne groß auf die Musik des Softrock-Senders zu achten, die im Radio dudelte. An manchen Straßenecken tummelten sich Kinder, die in kalten Wasserfontänen herumtobten, die aus geöffneten Hydranten spritzten. Manchmal spielten arme schwarze und arme weiße Kinder zusammen, die noch nicht von der verzehrenden Krankheit infiziert waren, die Dillard schon vor langer Zeit befallen hatte.
Er hatte das ungute Gefühl, dass Allen versuchte, irgendwas herauszufordern. Er provozierte ihn ständig mit aufreizendem, manipulativem Verhalten. Von der Art, die einem am tiefsten unter die Haut geht. Das war ein neues, beunruhigendes Problem in ihrer Beziehung, und während er fuhr, versuchte Dillard, seinen Ursprung
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