Der Teufel kommt raus: Kriminalroman
widerborstigen, schneeweißen Kotelette.
»
Was
willste, Henry? Ich hab noch genug Schwung, dich aus dem Stuhl zu zerren und dir den Staub von deinem knöchernen Arsch zu wischen. Außerdem biste bloß neidisch. Ist jetzt fünfundvierzig Jahre her, dass ich dir Bonita ausgespannt habe, und du bist immer noch sauer. Lasses gut sein, Henry. Lasses gut sein. Ich kann nix dafür, dass ich die Frauen verrückt mache.«
»Hhhhmmmppph, Miller, das Einzige, was du verrückt machst, ist die Belegschaft von Benny’s Grillbude. Die sind’s leid, fünfmal am Tag deinen fetten Arsch zu sehen.«
»Du hattest schon immer ’nen Minderwertigkeitskomplex, kleiner schwarzer Napoleon«, sagt Mr. Jerome und dreht sich zu mir. Ich lächele und sage nichts, da es mir nicht zusteht, Spitzen mit zwei alten Füchsen auszutauschen, die dazu beigetragen haben, den Weg für meine Generation zu ebnen.
»Also bitte, Nigga. Du hast schon immer nur Scheiße gelabert.«
Mr. Jerome und Henry lachen herzhaft und nehmen für einen Moment niemanden sonst mehr wahr, während sie ihre schon lange laufende Komiker-Nummer aufführen.
Man muss auf Zack sein, um den vollen Umfang von Mr. Jeromes pausenlosem Gequatsche und Gespaße würdigen zu können. Oberflächlich betrachtet scheint er ein jovialer alter Aufschneider zu sein, der locker mit den Kunden plänkelt, um den Tag rumzukriegen. Aber das täuscht. Mr. Jerome ist einer der tiefgründigsten Schwarzen, die ich kenne, und ich kenne eine Reihe beeindruckender Persönlichkeiten.
Er versteht mich meist nicht nur besser als ich mich selbst, sondern ist auch ein alter Fuchs mit viel Erfahrung, die er bereitwillig weitergibt. Als Gegenleistung verlangt er nur die Bereitschaft, ihm zuzuhören – ein Talent, das ich bei seinen Kunden nur selten ausmache. Leider sind viele meiner schwarzen Brüder, besonders die jüngeren, auf einem überheblichen Riesen-Egotrip, der sich als großes Hindernis erweist, etwas dazuzulernen.
Deshalb gehen eine ganze Menge von Mr. Jeromes Perlen an arrogante, gewalttätige Schweine verloren, die ihre Ignoranz tragen wie eine Ehrenmedaille. Was hat der alte, fette Pupser mir schon zu sagen? Nix.
Gerechterweise muss man sagen, dass sich viele Leute von Mr. Jeromes Angewohnheit abschrecken lassen, einem das Ohr abzukauen. Und von seinem ständigen Gerülpse. Nach fünf Minuten auf seinem Stuhl weiß man genau, was er zuletzt gegessen hat.
Das finde ich auch nicht sonderlich angenehm, aber ich ertrage es, weil ich viel von meiner Bekanntschaft mit Mr. Jerome profitiere. Doch sollte er jemals anfangen, durch den Frisörladen zu huschen und dabei aus seinem dicken Hintern zu furzen, wäre das eine andere Geschichte.
Mit einem leisen Schnipsen der Schere hier und da gibt Mr. Jerome dem Nacken seines Freundes den letzten Schliff und hält ihm mit einem erhabenen Bogen einen Handspiegel hin.
»Du konntest noch nie gescheit Haare schneiden, Jerome«, sagt Henry grinsend. »Was kostet der Spaß?«
»Du kommst jetzt seit vierzig Jahren alle zwei Wochen her und kennst meine Preise immer noch nicht?« Wieder sieht Mr. Jerome mich an und schüttelt den Kopf. »Eine Schande, was, junger Mann? Komm schon, Henry; ich hab keine Zeit, mit dir rumzualbern.«
Nachdem ihre Transaktion abgeschlossen ist, löst Mr. Jerome den Frisörumhang von Henrys Nacken und reißt ihn schwungvoll weg wie ein Zauberer, der seinen beeindruckendsten Trick präsentiert. Ein kleiner Nackenwedel fegt ein paar graue Haarsträhnen von Henrys Schultern, während der aus dem Frisierstuhl federt und dabei eine Behändigkeit an den Tag legt, die Mr. Jeromes mindestens ebenbürtig ist.
»Pass auf dich auf, Henry. Grüß Martha von mir.«
»
Yessir, yessir
. Das mach ich. Wir sehn uns in der Kirche.«
»Da kannst du Gift drauf nehmen«, sagt Mr. Jerome sanft und legt sacht die Hand auf den Rücken seines Freundes.
Der Firmenboss des Weltunternehmens lässt sich auf Mr. Jeromes Stuhl fallen, bevor Henry zur Tür raus ist.
»Einmal nachschneiden und hinten grade«, befiehlt der Firmenboss barsch.
»In Ordnung, junger Mann. Soll ich es an den Seiten zurechtstutzen?«
»Nein. Ich komm zu spät zur Arbeit.«
»Verstanden.«
Böööörrppp
.
Die Augen des Firmenbosses weiten sich ungläubig. Direkt hinter ihm ist gerade der Vesuv ausgebrochen, wodurch er Mr. Jerome sicher noch mehr ins Herz geschlossen hat. Mr. Jerome tut, was er sonst auch immer tut: weiterarbeiten, als ob nichts geschehen wäre. Er befestigt
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