Der Teufel kommt raus: Kriminalroman
Blumberg ist heute Morgen erschossen worden. Warum flippst du so aus?«
Benommen gehe ich vor dem Fahrstuhl in die Hocke.
Diese Scheiße ist wahr!
Bisher hatte ich immer den Gedanken im Hinterkopf gehabt, dass ich es mit einem Spinner zu tun hatte.
»Was ist los mit dir, Darryl?«
»Nichts, Dawg«, krächze ich kleinlaut. »Ich bin seit meinem Zusammenstoß in der Gasse bloß nicht ganz auf dem Damm.«
»Alles okay? Soll ich dich zum Arzt fahren?«
»Nee, Dawg, alles cool. Gib mir nur ein paar Minuten, dann treffen wir uns oben, okay, Partner?«
»Du nervst, Mann. Reiß dich zusammen«, sagt Dawg verärgert. Ich kann’s ihm nicht verübeln.
Als er weg ist, wanke ich in die Herrentoilette im Erdgeschoss. Ich klammere mich mit einem Todesgriff an ein Waschbecken, drehe das kalte Wasser auf und spritze mir was davon ins Gesicht.
Als ich mich wieder aufrichte, erscheint im Spiegel ein gequält aussehender junger Schwarzer mit Wassertröpfchen im Gesicht. Warum fühle ich mich irgendwie verantwortlich für Blumbergs Tod? Immerhin habe ich auf Detective Phil Gardners AB eine Nachricht hinterlassen – hätte ich sonst noch etwas tun können?
Vielleicht hat sich Dawg geirrt; vielleicht hat er nur Schwachsinn geredet. Vielleicht finde ich gleich in der Redaktion auf meinem Computer die Nachricht vor, dass das alles bloß ein Aprilscherz war. Dann beschimpfe ich ihn wüst, und wir lachen uns kaputt.
Doch diese Hoffnung wird zunichte gemacht, sobald ich im vierten Stock aus dem Fahrstuhl trete. Die Redaktion platzt aus den Nähten vor unter Strom stehenden Redakteuren, Reportern und Redaktionsassistenten, was für einen Samstag beispiellos ist.
Es liegt eine Spannung in der Luft, die nur knistert, wenn eine bedeutende Nachricht bekannt wird. Alle laufen zielstrebig, ernst und in einem Tempo, das einen Tick über normal ist, durch die Gegend.
Durch den Nebel kommt mir die Erleuchtung. Das ist
meine
Story. Ich bin der Polizeireporter, und das seit fünf Jahren. Fünf Jahre, in denen ich meine Samstage geopfert und verkürzte Wochenenden in Kauf genommen habe, zahlen sich endlich mit einem Knüller aus.
Ich bin weder kaltschnäuzig noch gefühllos. Aber unabhängig davon, ob ich etwas mit Blumbergs Tod zu tun habe, ist es meine Aufgabe, darüber Bericht zu erstatten.
»Darryl!«
Tom Merriwether kommt mit dem für ihn typischen eigenartigen Krebsgang auf mich zu, einen ausgesprochen unbehaglich wirkenden R. Charles Covington III. im Schlepptau.
»Sie sind heute da, richtig?«, fragt er schroff.
»Ja, ich schiebe meine normale Samstags-Polizeischicht. Scheint, als hätten wir heute mit Blumberg eine interessante Story.«
Nichts an Merriwether deutet darauf hin, dass er meine letzte Bemerkung wahrgenommen hat.
»Gut. Da Sie auf dem Posten sind, möchte ich, dass Sie bei den jüdischen Organisationen und ihren Gemeindesprechern hier in der Region anrufen und ihnen Kommentare zu Blumberg entlocken. Die bauen wir mit in die Story ein und geben Ihnen eine Beitragssignatur.«
Eine Beitragssignatur bedeutet, dass dein Name am Ende eines Artikels erscheint, wodurch dir Anerkennung für die Hilfe beim Einholen von Informationen gezollt wird. Wozu brauche ich eine Beitragssignatur, wenn ich die ganze Story schreibe?
»Okay, Tom. Den Hauptartikel schreibe ich doch auch, oder?«
»Nein. Tun Sie nicht.« Die Worte hängen kurz in der Luft, bevor sie mich treffen wie eine Ohrfeige. R. Charles ist plötzlich fasziniert von seinen Schuhspitzen. Merriwether schnaubt und wendet sich zum Gehen.
»Entschuldigung! Ich bin hier der Polizeireporter, oder? Soweit ich mich erinnere, berichtet R. Charles aus dem Rathaus. Warum schreibt er plötzlich eine Polizei-Story?
Meine
Story? Mich zieht auch niemand zu wichtigen Storys aus dem Rathaus hinzu. Warum machen Sie das, Sie –«
»Ich sage das jetzt nur einmal, weil wir uns beeilen müssen, diese Story rauszubringen. Erstens war mir nicht klar, Darryl, ob Sie heute überhaupt zur Arbeit erscheinen. Sie müssen doch müde sein«, fügt Merriwether nach einer theatralischen Pause hinzu, »nachdem Sie gestern Abend auf diesem Empfang, auf dem Cornelius Sie gesehen hat, eine heiße Sohle aufs Parkett gelegt haben. Und zweitens kann R. Charles Fähigkeiten im Schreiben und in der Berichterstattung einbringen, über die Sie schlicht nicht verfügen. Um es ganz klar zu sagen: Otto Normalverbraucher, der einen Brief an seine Mutter schreibt, kann besser schreiben als Sie, Darryl. Wenn
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