Der Teufel kommt raus: Kriminalroman
Aber eines weiß ich – es ist durchaus möglich, dass man Sie der Mittäterschaft an Blumbergs Erschießung anklagt.«
Helles Gelächter, dann eine Pause, während er das verdaut. Die Stimme klingt ein bisschen weniger bestimmt und selbstsicher.
»Nein … Ich glaube nicht, dass das möglich ist. Ich glaube nicht.«
»Wer hat Blumberg umgebracht?«
In der Leitung ist nichts zu hören, nicht mal ein Rauschen.
»Hallo? Sind Sie noch dran?«
»Ja.«
»Wer hat Sheldon Blumberg ermordet?«
»Mehr als nur einer. Zwei, vielleicht auch drei.« Gerade genug Zögern, um aufrichtig zu klingen.
»Sie wissen es nicht?«
»Ich war nicht dabei. Ich kenne einen von ihnen – ich bin mir nicht sicher.«
»Hören Sie, beenden wir diese Geheimagenten-Nummer. Treffen wir uns irgendwo.«
»Ähhhmm, ich weiß nicht. Er bringt mich vielleicht um, wenn er erfährt, dass ich mit Ihnen gesprochen habe.« Die Antwort klingt nervös, ängstlich. Habe ich es mit einer Frau zu tun?
»Hey, ich beiße nicht. Sie müssen mich ja für einen anständigen Kerl halten, sonst hätten Sie mich gar nicht erst angerufen.«
»Sparen Sie sich den Charme, Darryl.« Der Androgyne klingt wieder souverän und selbstsicher. »Aber Sie haben Recht, Sie sind ein guter Mensch.«
»Kenne ich Sie?«
Ein leichtes Husten. »Ja, Sie kennen mich.«
»Dann helfen Sie mir auf die Sprünge.«
»Dafür bin ich noch nicht bereit … Ich mach jetzt lieber Schluss.«
»Kommen Sie, treffen wir uns irgendwo.«
»Ich denk drüber nach.«
»Steht der Bombenanschlag aufs NAACP noch an?«
»Klar. Wiederhören.«
Klick
.
Fix notiere ich mir Blumbergs Adresse und schnappe mir meinen Notizblock, mein Diktiergerät und das Walkie-Talkie.Ich informiere Merriwether per E-Mail, dass ich zum Tatort fahre, organisiere mir aus dem Fuhrpark einen Pressewagen und mache mich auf den Weg nach Roland Park.
Vor dem
Herald
läuft R. Charles gerade auf dem Bürgersteig zum Angestelltenparkplatz und gibt mir ein Zeichen. Ich schalte mein Warnblinklicht an und fahre rechts ran.
»Ich möchte nur, dass Sie wissen, dass samstags zur Arbeit zu kommen und eine Polizeistory zu schreiben das Letzte ist, wozu ich Lust habe«, sagt er, ohne zu bemerken, dass ich das als Beleidigung auffassen könnte. »Die Blumberg-Sache war nicht meine Idee, okay? Ursprünglich war Cornelius als Vertretung für Sie vorgesehen, aber nach Blumbergs Ermordung hat Merriwether mich angerufen.«
»Hey, ist schon okay. Ich weiß, dass Sie mir nicht in den Rücken fallen wollten.«
R. Charles greift durchs offene Beifahrerfenster und schüttelt mir die Hand. In meinen fünf Jahren beim
Herald
war das das längste Gespräch, das wir je geführt haben.
Als ich in Roland Park ankomme, kann ich Blumbergs Straße kaum passieren. An die dreihundert Menschen laufen herum, von denen die meisten einen verlorenen, hilflosen und wütenden Eindruck machen. Dass eine von Baltimores verehrtesten Persönlichkeiten einem sinnlosen Mord zum Opfer gefallen ist, hat sich schnell herumgesprochen.
Detective Philip Gardner will gerade wegfahren, als ich vor Blumbergs Haus ankomme. Ich parke ihn in seinem Zivilfahrzeug ein, worauf er mich streitlustig anstarrt, bis ihm klar wird, wer ich bin.
Polizeitechniker machen aus jedem erdenklichen Winkel Aufnahmen von einem grauen Volvo Kombi in der Einfahrt. Vor dem Haus stehen zwei Fernsehreporter und berichten live.
»Aus dem Weg, Darryl. Muss ins Präsidium«, sagt Gardner schroff.
»Ich muss aber jetzt sofort mit Ihnen reden«, antworte ich und steige aus. »Es geht um Blumberg – ich hab da vielleicht etwas Hilfreiches.«
»Ach ja? Und das wäre?«
Ich reiße die Tür zu Gardners Wagen auf, lasse mich auf den Beifahrersitz plumpsen und lande mit dem Hintern auf einer leeren Fast-Food-Verpackung. Aus dem Aschenbecher quellen Zigarettenkippen, von denen zwei pflaumenfarbene Lippenstiftabdrücke aufweisen.
»Ich habe Ihnen gestern im Büro eine Nachricht hinterlassen, dass jemand Blumberg bedroht. Haben Sie die abgehört?«
Gardner klappt seinen kleinen Notizblock auf. »Nein. Ich war gestern nicht im Büro, und eigentlich hätte ich auch heute frei. Aber ich wurde zum Dienst beordert.« Er deutet auf das Chaos um uns herum. »Von wem kamen die Drohungen?«
»Ich weiß nicht. Die Anrufe waren anonym.«
»Wie lange geht das schon, Darryl?«
»Seit ein paar Tagen.« Ich schlage ungewollt die Augen nieder.
»Sie kriegen ständig Anrufe von Spinnern, was?«
Ich
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