Der Teufel kommt raus: Kriminalroman
aus Baltimore anrufe. Es ist immer ein schönes Gefühl, für erstklassige Arbeit die gebührende Anerkennung zu bekommen.
Die Frühausgabe der Sonntagszeitung erscheint halb sechs. NAMHAFTER WOHLTÄTER ERMORDET lautet die Balkenüberschrift auf der Titelseite. Die Story nimmt die beiden rechten Spalten der Seite ein, und die Verfasserzeile lautet »Von Darryl L. Billups«.
Minutenlang sitze ich nur da und bewundere die Zeitung; dann renne ich auf der Suche nach weiteren Exemplaren, die ich mit nach Hause nehmen kann, durch die Redaktion. Auf dem Weg zurück zu meinem Schreibtisch lese ich meinen Bericht mit den Augen eines Durchschnittslesers, der sich gerade die Zeitung gekauft hat. Der Lackmustest lautet: Was würde ich gern über die Erschießung und über Blumenberg wissen, das nicht drinsteht?
Nach rascher Lektüre bin ich neugierig, ob Blumberg und seine Frau Eheprobleme hatten, oder ob Blumberg vielleicht eine Geliebte hatte. Wenn das die einzigen Lücken sind, die mir auffallen, ist das nicht schlecht.
Um 21 Uhr gibt mir Wochenend-Redakteur Daniel Chapin das Okay. Auf dem Weg aus der Redaktion erhasche ich einen Blick auf Merriwether, der zusammengesackt auf seinem Stuhl sitzt und mich böse anstarrt.
Na schön. Schließlich bin ich nicht hier, um mit ihm ein Herz und eine Seele zu sein. Ich will nur von ihm als Journalist akzeptiert werden. Aber heute Abend kann Merriwether mir die Laune nicht verderben. Weil ich der King bin.
Außerdem habe ich den starken Verdacht – nein, das ist zu schwach ausgedrückt – ich
weiß
, dass ich nicht mehr sehr viel länger hier sein werde. Bei der
New York Times
oder der
Washington Post
vielleicht, aber nicht hier. Ich muss noch viel dazulernen, und ich bezweifle, dass die vom
Herald
mir noch viel beibringen können.
Aber erst mal bin ich mit der größten Story der Sonntagszeitung auf Seite eins. Auf der Heimfahrt würde ich am liebsten den Kopf aus dem Fenster strecken und es jedem, dem ich begegne, zuschreien.
Womit Yolanda mich wohl überraschen will?
Als ich die Treppe zu meiner Wohnung hinaufsteige, dämmert mir, dass irgendetwas anders ist. Während ich meine Taschen nach meinem Schlüssel durchwühle und wie ein Schweißhund schnuppere, geht mir ein Licht auf. Auf dem Treppenabsatz im ersten Stock riecht es nach Essen, und der Duft dringt durch meine Türritze nach draußen.
Als die Tür aufschwingt, traue ich meinen Augen nicht. Oder meiner Nase oder meinen Ohren.
Eine Will-Downing-CD dudelt leise aus einem Ghettoblaster, den Yolanda heute Morgen aus ihrer Wohnung geholt hat. Und der Duft nach saftigem Fleisch und frischem Brot hüllt mich ein, überspült mich einfach und stellt wunderbare Dinge mit meiner Nase an.
Jamal, der mich schüchtern anlächelt und aussieht, als hätte er sich dem Fruit of Islam angeschlossen, sitzt im dunkelblauen Anzug mit weißem Hemd und blauer Fliege am Esstisch. Der Tisch ist für drei Personen gedeckt, mit Gläsern, von denen zwei mit Rotwein gefüllt sind. Frisch geschnittene rote und weiße Nelken geben dem Ganzen eine dekorative Note.
Aber der eigentliche Blickfang ist Yolanda. Sie trägt ein hellbraunes einteiliges Baumwollkleid, das sich eng an jede Kurve und Rundung ihres geschmeidigen Körpers schmiegt, und hat Eyeliner und (statt des für sie typischen goldenen) roten Lippenstift aufgelegt. Die Kaltwelle in ihren rötlich-braunen Haaren scheint von heute zu sein, und ihre schwarzbronzenen Ohrringe baumeln elegant.
Yolanda sieht aus wie eine Göttin aus dem
Essence
-Magazin. Wie kann man kochen und dabei so schön aussehen?
Mir klappt die Kinnlade runter, als ich vor der Tür stehe und versuche, mich auf die exotischen Reize einzustellen, die meine Sinne bombardieren. Ich will ganz lässig hereinspazieren, als würde mir das jeden Tag passieren, es gelingt mir nicht.
Yolanda überreicht mir einen weißen Umschlag, der mit Geldscheinen vollgestopft ist. Wenigstens fühlt es sich so an, als wären Dollarscheine drin. Da ich nicht daran gewöhnt bin, dicke Umschläge mit Geld entgegenzunehmen, kann ich nur raten.
Sie regelt das Geschäftliche zuerst. Das gefällt mir.
»Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass ich ein Abendessen für Sie gekocht habe«, sagt Yolanda nervös und beißt sich auf die Unterlippe. »Aber ich finde, das ist das Mindeste, das ich tun kann, nach allem, was Sie für Jamal und mich getan haben.«
Ich trete langsam durch die Tür zu meiner Wohnung. Jedenfalls dachte ich, es
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