Der Teufel mit den blonden Haaren
für mich sehr viel davon ab. Könnte diese Gabriele Urban einmal eine Freundin von Sabine gewesen sein?“
Frau Ingrid lächelte.
„Auch keinen Nachtisch? Du hast wirklich nur wie ein Spatz gegessen. Eine Freundin von Sabine?“ Sie schien wirklich angestrengt nachzudenken. „Ich glaube nicht. Weißt du, wir hatten immer ein offenes Haus, und Bine schleppte uns von jeher alle ihre Freundinnen ins Haus, solche und solche — aber Gabriele Urban? Gabriele Urban, nein, ich habe diesen Namen noch nie gehört. Ist es denn so wichtig für dich?“
Er schob den Teller zurück.
„Sehr wichtig, Mutti. Es ist... diese Urban... wir fahnden nach ihr... sie ist in eine Sache verwickelt, die ich…“
Er sah, wie Frau Ingrid erstaunt die Augenbrauen hochzog.
„Und wieso kommst du ausgerechnet auf den Gedanken, diese Person könne eine Freundin von Sabine sein? Gibt es denn dafür irgendeinen Anhaltspunkt?“
„N-nein“, sagte er zögernd. Er wollte jetzt nicht von Sabines merkwürdigem Verhalten vorhin sprechen. Aber während er noch darüber nachdachte, durchzuckte ihn ein Gedanke. Er stand auf. Auch Frau Ingrid erhob sich und fragte:
„Willst du schon gehen? Ich hoffte, du würdest mir noch ein wenig Gesellschaft leisten, wir trinken ein Glas Wein zusammen und...“
„Sei nicht böse, Mutti, ich... ich habe noch zu tun, ich hätte ohnedies eigentlich gar nicht herauskommen können.“
„Schade“, sagte sie, „es tut mir wirklich leid. Wenn du willst, werde ich morgen Sabine nach dieser Gabriele Urban fragen. Du kannst ja gegen Mittag mal anrufen.“
„Ja, Mutti, gern. Auf Wiedersehen.“
Er verabschiedete sich hastig, und als er gefahren war, eilte Frau Ingrid zu ihrer Tochter hinauf.
„Er ist fort, Kind“, sagte sie. „Ich glaube, er hat nichts gemerkt. Wir müssen noch kurze Zeit durchhalten, dann hat Papa alles in Ordnung gebracht. Du wirst sehen, er schafft das schon.“
„Ja, natürlich“, sagte Sabine böse, „er kann ja einfach alles. Er kommt gleich nach dem lieben Gott, und wenn es sich um Rechtsfragen handelt sogar noch davor.“
„Aber Liebling, ich glaube fast, du bist wirklich krank. Soll ich dir Fliedertee kochen? Oder willst du...“
„…in Ruhe gelassen werden, Mutti, bitte sei nicht böse.“
Frau Ingrid nickte.
„Ich verstehe.“ Eine Sekunde schwieg sie, dann fuhr sie nachdenklich fort: „Vielleicht solltest du nicht den gleichen Fehler machen wie ich. Ich war einmal so stolz auf den Mann, der seine Pflicht über alles stellte, sogar über mich. So, dachte ich damals, genauso müsse ein richtiger Mann sein. Es ist ganz einfach Quatsch, mein Kind. Du mußt dir einen Mann aussuchen, der mit dir verheiratet ist und nicht mit seinem Beruf. Und noch dazu mit einem so schrecklichen Beruf, der von ihm verlangt, unfehlbar zu sein. Gute Nacht, Kindchen.“
Unten in der Diele traf sie Tante Antonie, die gerade mit einem Taxi von ihrem ausgedehnten Sonntagsbridge zurückgekehrt war. „Stell dir vor, liebe Ingrid“, rief die alte Dame, „ich bin heute fast sechstausend Schritte gegangen, und dann war ich noch fähig, nicht nur eine Mastpoularde zu essen, sondern der Frau Apotheker und der Frau Oberlehrer über sieben Mark abzugewinnen. — Hattet ihr auch solch einen ruhigen Sonntag?“
„Völlig ruhig“, sagte Frau Ingrid. „Möchtest du noch die Abendnachrichten sehen?“
„Nein danke, ich verschwinde gleich.“
Frau Ingrid öffnete im Wohnzimmer die Fenster und ließ die eiskalte Nachtluft herein. Sie atmete ein paarmal tief, dann rief sie halblaut in das Dunkel hinaus:
„Toni? Toni?“
Aber sie bekam keine Antwort, obwohl ihr Sohn doch gemerkt haben mußte, daß Walther längst abgefahren war. Wo Toni nur steckte, schließlich mußte er jetzt doch Hunger haben?
Sie konnte nicht ahnen, daß Toni alles andere als Hunger verspürte. Er hatte, unter einer Fichte stehend, einen schwarzen Schatten entdeckt, der sich vorsichtig ans Haus heranpirschte. Er ließ diesen Schatten nicht aus den Augen und war darauf vorbereitet, diesmal nicht der Unterlegene zu sein. Für ihn stand fest, daß es der Kerl sein mußte, dem die Pistole gehörte. Und diesmal würde er mit ihm abrechnen und dafür sorgen, daß das Haus Sonneck künftig vor solchen Besuchen verschont blieb.
Zur gleichen Zeit aber zergrübelte sich Walther Scheurich den Kopf. Immer wieder hörte er Frau Ingrid fragen: „Gibt es denn dafür irgendeinen Anhaltspunkt?“
Und auf einmal wußte er, wo er einen
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