Der Teufel trägt Prada
Turngala, und ich hoffte ebenfalls früher aus dem Büro zu kommen. Mit dem heutigen Tag hatte Lily die letzte Prüfung für dieses Semester hinter sich, ein würdiger Anlass, um irgendwo überraschend mit ihr feiern zu gehen.
»Hey, Em, meinst du, ich könnte heute so gegen halb sieben, sieben Schluss machen? Miranda meinte, sie bräuchte das BUCH nicht, es hätte sich sowieso nichts Großartiges getan«, fügte ich noch rasch hinzu. Wieso musste ich meine gleichrangige Kollegin eigentlich um Erlaubnis bitten, wenn ich einmal schon nach zwölf statt wie üblich nach vierzehn Stunden Feierabend machen wollte?
»Äh, klar. Ja, ach, egal. Ich bin jetzt weg.« Sie checkte die Uhrzeit am Bildschirm. Kurz nach fünf. »Bleib noch ein, zwei Stunden, und dann mach dich vom Acker. Sie hat heute Abend etwas mit den Zwillingen vor, da sind wohl nicht mehr viele Telefonate zu erwarten.« Sie war mit dem Typen verabredet, den sie über Neujahr in Los Angeles kennen gelernt hatte. Er hatte es nicht nur endlich nach New York geschafft, sondern – Wunder über Wunder – auch tatsächlich angerufen. Sie wollten erst in der Craftbar etwas trinken, und wenn er sich anständig benahm, durfte er danach mit zu Nobu. Emily hatte den Tisch bereits vor fünf Wochen reserviert, als er per E-Mail seinen Besuch in New York avisierte; allerdings musste sie immer noch Mirandas Namen angeben, um überhaupt auf die Gästeliste gesetzt zu werden.
»Und, was machst du, wenn du da einläufst und ganz klar nicht Miranda Priestly bist?«, hatte ich blöd nachgefragt.
Und zur Belohnung die übliche, gekonnte Augenverdreh-tiefer-Seufzer-Kombi kassiert. »Ich sage einfach, Miranda ist heute wegen eines unerwarteten Termins nicht in der Stadt, lege eine Geschäftskarte vor und erkläre ihnen, dass ich die Reservierung für sie wahrnehmen soll. Wo ist das Problem?«
Nach Emilys Abgang rief Miranda nur noch einmal an, um mir mitzuteilen, dass sie morgen erst gegen Mittag wieder im Büro sein würde, bis dahin aber eine Kopie der Restaurantbesprechung wünschte, die sie heute »in der Zeitung« gelesen hatte. Schlau wie ich war, fragte ich nach, ob sie sich womöglich an den Namen des Restaurants oder gar der Zeitung erinnerte, in der die Besprechung gestanden hatte, aber das gefiel ihr gar nicht.
»Aan-dreh-aa, ich bin für die Turngala ohnehin schon zu spät dran. Verschonen Sie mich mit solchen Lappalien. Es war ein Asien-Restaurant, und es stand heute in der Zeitung. Das wäre alles.« Wie immer, wenn sie mich mitten im Gespräch abwürgte und ihr Motorola V60 zuklappte, malte ich mir aus, dass das Handy sich eines Tages mir nichts, dir nichts um ihre perfekt manikürten Finger schließen und sie mit einem Haps verschlingen würde, nicht ohne zuvor genüsslich jeden einzelnen ihrer makellos lackierten Nägel zu rotem Konfetti zerschreddert zu haben. Umsonst gehofft, bisher jedenfalls.
Im Geist notierte ich mir, morgen früh als Erstes dieses geheimnisvolle Restaurant ausfindig zu machen, und flitzte zum Wagen. Ich rief Lily von meinem Handy an, und sie meldete sich, als ich schon vor dem Haus stand und raufgehen wollte; also blieb ich sitzen und winkte bloß Mr. Fisher zu, der mit seiner längeren Haartracht und den zusätzlichen Zierkettchen an seiner Uniform Tag für Tag mehr nach Designer aussah.
»Na, wie sieht’s aus? Ich bin’s.«
»Hiiiiiii«, trällerte sie, vergnügter als seit Wochen, wenn nicht
Monaten. »Ich bin fertig. Fertig! Sommersemester erledigt, alles geschafft außer einem läppischen kleinen Exposé für die Magisterarbeit, das ich demnächst abgeben muss, aber danach kann ich das Ding zur Not noch zehnmal umarbeiten. Das heißt, ich bin frei bis Mitte Juli. Wie findest du das?« Sie schäumte schier über vor Glück.
»Super, ich freu mich so für dich! Lust auf ein Festessen? Du hast die Wahl – die Rechnung geht auf Runway .«
»Echt? Freie Wahl?«
»Ja. Ich stehe unten, und ich habe einen Wagen. Komm runter, und dann lassen wir’s uns irgendwo so richtig gut gehen.«
»Stark!«, quiekte sie. »Ich wollte dir sowieso endlich mal lang und breit von meinem kleinen Freudianer erzählen. Der ist ja so was von schön! Eine Sekunde, dann bin ich unten. Muss mich nur noch in die Jeans werfen.«
Fünf Minuten später kam sie herausgesprintet. So fesch und aufgedreht hatte ich sie schon lange nicht mehr gesehen. Enge, ausgeblichene Boot-Cut-Jeans mit perfektem Hüftsitz, dazu eine langärmlige Folklorebluse aus
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