Der Teufel trägt Prada
jede Schachtel brauchte sie nur zwei Minuten, plus 15 Sekunden für das weiße Satinband. Das Ganze ging ihr akkurat und flott von der Hand. Wenn sie ein Päckchen fertig hatte, legte sie es auf einen neuen Geschenkeberg, der sich hinter ihr auftürmte. Doch während dieser Berg stetig anwuchs, schien der andere überhaupt nicht kleiner zu werden. Es sah aus, als ob sie mindestens noch vier Tage brauchen würde, um ihn ganz abzutragen.
Ich musste laut ihren Namen rufen, um mich bei dem Gedudel der 80er-Jahre-CD, die auf ihrem Computer lief, verständlich zu machen. »Emily? Hi, ich bin wieder da.«
Sie drehte sich um und starrte mich im ersten Moment an wie eine Erscheinung. Aber dann erinnerte sie sich wieder an mich und fragte: »Na, wie ist es gelaufen? Hast du alles erledigt, was auf der Liste stand?«
Ich nickte.
»Hat es mit dem Videospiel auch geklappt? Als ich in dem Laden angerufen habe, hatten sie bloß noch ein einziges auf Lager.«
Ich nickte noch einmal.
»Und du hast alles beim Portier der de la Rentas in der Park Avenue abgegeben? Die Klamotten, die Shorts, alles?«
»Logo. Kein Problem. Alles lief wie am Schnürchen, und ich habe das Zeugs vor ein paar Minuten abgeliefert. Sag mal, diese Shorts… Würde Miranda so was tatsächlich…?«
»Gleich. Ich muss mal schnell aufs Klo. Ich habe nur auf dich gewartet. Kannst du einen Augenblick das Telefon hüten?«
»Du warst nicht mehr auf dem Klo, seit ich gefahren bin?«, fragte ich ungläubig. Ich war geschlagene fünf Stunden weg gewesen. »Warum denn das nicht?«
Emily band noch schnell die letzte Schleife zu Ende und musterte
mich kühl. »Miranda besteht darauf, dass alle Gespräche von ihren Assistentinnen entgegengenommen werden. Und weil du nicht da warst, wollte ich das Büro nicht verlassen. Ich hätte bestimmt mal kurz rausschlüpfen können, aber ich weiß, dass Miranda heute einen hektischen Tag hat, und da wollte ich jederzeit für sie erreichbar sein. Das kannst du dir gleich für die Zukunft merken. Wir gehen weder aufs Klo noch sonst wohin, ohne dass wir es vorher miteinander abgesprochen haben. Wir müssen zusammenarbeiten, um unser Bestes für sie zu geben. Okay?«
»Klar«, sagte ich. »Du kannst ruhig gehen. Ich rühre mich nicht vom Fleck.« Sie wagte es wahrhaftig, mich allein zurückzulassen. Nicht zu glauben. Kein Klobesuch ohne Strategiebesprechung? Wo gab es denn so was? Hatte sie tatsächlich geschlagene fünf Stunden ausgehalten und besänftigend auf ihre Blase eingeredet, nur für den Fall, dass in den zweieinhalb Minuten, die sie brauchen würde, um aufs Klo zu flitzen, möglicherweise dieses Weib anrief, das sich in den Tropen amüsierte? Es hatte ganz den Anschein. Mir kam es ein bisschen dramatisch vor, aber wahrscheinlich war es nur Emilys Arbeitseifer. Es konnte einfach nicht sein, dass Miranda von ihren Mitarbeiterinnen so etwas verlangte. Bestimmt nicht. Oder etwa doch??
Ich nahm ein paar Blatt Papier aus dem Drucker. Es war eine Liste mit der Überschrift »Eingegangene Weihnachtsgeschenke«. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs eng bedruckte Seiten, pro Zeile der Name des Schenkenden und eine Beschreibung des Geschenks. Insgesamt 256 Artikel. Darunter ein Bobby-Brown-Make-up-Set von Bobby Brown persönlich, eine Kate-Spade-Lederhandtasche (Unikat) von Kate und Andy Spade, ein Terminplaner in burgunderfarbenem Leder aus der noblen Londoner Bond Street von Graydon Carter, ein nerzgefütterter Schlafsack von Miuccia Prada, ein Verdura-Armband von Aerin Lauder, eine diamantbesetzte Uhr von Donatella Versace, eine Kiste Champagner von Cynthia Rowley, ein mit Perlen besticktes
Top samt dazu passendem Abendtäschchen von Mark Badgley und James Mischka, eine Sammlung Cartier-Stifte von Irv Ravitz, ein Chinchillamuff von Vera Wang, eine Jacke im Zebradesign von Alberto Ferretti, eine Burberry-Kaschmirdecke von Rosemarie Bravo. Und das war erst der Anfang. Es gab Handtaschen in allen erdenklichen Formen, Farben und Grö ßen von allem, was Rang und Namen hatte: Herb Ritts, Bruce Weber, Giselle Bundchen, Hillary Clinton, Tom Ford, Calvin Klein, Annie Leibovitz, Nicole Miller, Adrienne Vittadini, Michael Kors, Helmut Lang, Giorgio Armani, John Sahag, Bruno Magli, Mario Testino und Narcisco Rodriguez, um nur eine Hand voll zu nennen. Dazu kamen Dutzende von Spenden in Mirandas Namen an verschiedene Wohltätigkeitsorganisationen, ein paar hundert Flaschen Wein und Champagner, acht bis zehn Dior-Taschen, einige Dutzend
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