Der Teufel trägt Prada
Duftkerzen, orientalische Keramiken, Seidenpyjamas, in Leder gebundene Bücher, Badeprodukte, Pralinen, Armbänder, Kaviar, Kaschmirpullover, gerahmte Fotografien und so viele Blumengestecke und Topfpflanzen, dass man damit die Massenhochzeit einer Sekte im Fußballstadion hätte dekorieren können. Nicht zu fassen! Wachte oder träumte ich? Arbeitete ich wirklich für eine Frau, die 265 Weihnachtsgeschenke von den berühmtesten Leuten der Welt bekam? Zumindest nahm ich an, dass sie berühmt waren. Ich kannte nämlich längst nicht alle Namen, nur die der bekanntesten Promis und Designer. Dass sich hinter den anderen einige der bedeutendsten Fotografen, Visagisten, Models, VIPs und die einflussreichsten Elias-Clark-Manager verbargen, konnte ich damals noch nicht wissen. Ob Emily wohl wusste, wer diese Leute alle waren? Ich hatte diesen Gedanken noch nicht ganz zu Ende gedacht, als sie vom Klo wieder zurückkam. Es schien ihr nichts auszumachen, dass ich die Liste las.
»Ein Wahnsinn, was? Miranda ist einfach die Größte«, schwärmte sie und warf einen geradezu vor Begeisterung triefenden Blick auf die Ausdrucke. »Hast du so was Fantastisches
schon mal gesehen? Das hier ist die Liste vom letzten Jahr. Ich hab sie mir mal ausgedruckt, damit wir eine Ahnung haben, was noch alles auf uns zukommt. Die ersten Geschenke sind nämlich bereits eingetrudelt. Das liebe ich besonders an diesem Job – dass wir die Geschenke auspacken dürfen.« Hatte ich richtig gehört? Wir öffneten Mirandas Geschenke? Warum machte sie das nicht lieber selber? Eine Frage, die ich mir nicht verkneifen konnte.
»Spinnst du? 90 Prozent der Sachen würden ihr sowieso nicht gefallen. Manche Geschenke sind direkt eine Beleidigung, die würde ich ihr noch nicht mal zeigen. So was wie das hier zum Beispiel«, sagte sie und nahm den Deckel von einer kleinen Schachtel. Darin lag ein silbern schimmerndes, handschmeichlerisches, schnurloses Bang & Olufsen-Telefon, das man in einem Umkreis von 3000 Kilometern benutzen konnte. Da ich erst vor kurzem mit Alex in einem B & O-Geschäft gewesen war, wo er verzückt die Stereoanlagen angehimmelt hatte, wusste ich, dass der Apparat mindestens 500 Dollar kostete und alles, einfach alles konnte – bloß nicht selbst telefonieren. Das musste der Besitzer schon allein besorgen. »Ein Telefon! Kannst du dir das vorstellen, dass jemand die Frechheit besitzt, Miranda Priestly ein Telefon zu schenken?« Sie warf mir die Schachtel zu. »Wenn du willst, kannst du es behalten. So etwas darf ihr nicht unter die Augen kommen. Davor werde ich sie bewahren. Sie würde Zustände kriegen, dass ihr jemand etwas Elektronisches schenkt.« Bei ihr klang »elektronisch« wie ein Synonym für »mit Pestbeulen übersät«.
Ich verstaute die Schachtel in meinem Schreibtisch und verkniff mir ein Grinsen. So was nannte man Glück. Ich brauchte unbedingt noch ein schnurloses Telefon für mein neues Zimmer, und nun war ich gratis zu einem 500-Dollar-Apparat gekommen wie die Jungfrau zum Kinde.
Emily hockte sich im Schneidersitz auf den Fußboden. »Ich würde vorschlagen, wir packen jetzt noch ein paar Stunden Geschenke
ein, und dann kannst du die Päckchen aufmachen, die heute gekommen sind.« Sie zeigte auf einen kleineren Geschenkeberg, der sich hinter ihrem Schreibtisch türmte, Schachteln, Tüten und Körbe in allen Farben des Regenbogens.
»Das sind also die Geschenke, die wir für Miranda versenden, richtig?«, fragte ich, während ich die erste Schachtel in das wei ße Papier einschlug.
»Genau. Wie heißt es so schön in Dinner for One ? ›The same procedure as every year.‹ Die höchsten Tiere bekommen eine Flasche Dom Pérignon. Dazu gehören die Elias-Clark-Manager und die großen Designer, mit denen sie nicht persönlich befreundet ist. Außerdem ihr Anwalt und ihr Steuerberater. Die mittlere Etage kriegt auch Champagner, aber bloß Veuve Clicquot. In diese Kategorie fallen die meisten – die Lehrer der Zwillinge, die Friseure, ihr Chauffeur und so weiter. Den Niemanden schenken wir eine Flasche Ruffino Chianti – das sind normalerweise die PR-Leute, der Tierarzt, die Aushilfskindermädchen, Verkäuferinnen und Verkäufer in ihren Lieblingsboutiquen und die ganzen Handwerker und Angestellten, die sich um das Sommerhaus in Connecticut kümmern. Anfang November habe ich alles bestellt und liefern lassen. Es dauert ungefähr einen Monat, bis alles versandfertig ist. Gut, dass Miranda im Moment verreist ist, sonst
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