Der Teufel trägt Prada
»Das ist eine ihrer Eigenarten, über die du Bescheid wissen musst.«
»Das ist ja interessant«, sagte ich gleichmütig, um mir meine Verwunderung nicht anmerken zu lassen. Sie hatte eine Schalmanie? Ich bin selber keine Kostverächterin, wenn es um Klamotten, Handtaschen oder Schuhe geht, aber dass ich deswegen eine Manie hätte, könnte ich wirklich nicht behaupten. Und so wie Emily es ausgedrückt hatte, schien mehr dahinter zu stecken als nur eine Laune.
»Ja. Den Rock braucht sie sicher für einen bestimmten Anlass, aber ihre große Liebe gilt den Schals. Schließlich sind sie ja auch so was wie ihr Markenzeichen.« Als ich sie verständnislos ansah, fuhr sie fort: »Du erinnerst dich doch noch an dein Vorstellungsgespräch?«
»Natürlich«, antwortete ich, wie aus der Pistole geschossen. Es wäre wohl nicht gerade besonders klug gewesen, Emily wissen zu lassen, dass ich mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern konnte, was Miranda an dem Tag getragen hatte. »Aber ich glaube nicht, dass mir an ihr ein Schal aufgefallen ist.«
»Man sieht sie nie ohne einen weißen Hermès-Schal, nie. Meistens trägt sie ihn um den Hals, aber nicht immer. Manchmal lässt sie ihn sich auch in die Frisur einbinden, oder sie benutzt ihn als Gürtel. Alle Leute wissen, dass Miranda Priestly immer und überall einen weißen Hermès-Schal trägt. Ist das nicht wahnsinnig cool?«
Plötzlich fiel mir auf, dass Emily einen limonengrünen Schal durch die Gürtelschlaufen ihrer Cargo-Hose gezogen hatte. Er spitzelte knapp unter ihrem T-Shirt hervor.
»Ansonsten probiert sie auch gern mal etwas Neues aus, und ich schätze, genau das hat sie diesmal vor. Aber diese Idioten aus dem Moderessort haben keinen blassen Schimmer, was ihr gefallen würde. Dieser Fetzen zum Beispiel, ist der nicht fürchterlich?« Mit spitzen Fingern hielt sie einen hinreißenden Rock hoch, der etwas vornehmer war als der Rest, ein fließender Stoff in einem warmen, dunklen Beige, aus dem kleine Goldpünktchen hervorleuchteten.
»Und wie«, flunkerte ich. »Ein grässliches Teil.« Der Rock war so schön, dass ich ihn zu meiner eigenen Hochzeit getragen hätte.
Emily plapperte immer weiter, über Schnitte und Stoffe, über Mirandas Wünsche und Bedürfnisse. Zwischendurch ließ sie die eine oder andere abfällige Bemerkung über eine Kollegin fallen. Zum Schluss entschied sie sich für drei vollkommen unterschiedliche Modelle, die sie Miranda schicken wollte. Und die ganze Zeit redete sie wie ein Wasserfall auf mich ein. Ich versuchte, ihr zuzuhören, aber es war mittlerweile kurz vor sieben, und ich wusste nicht mehr, ob ich völlig ausgehungert, komplett genervt oder absolut erschöpft war. Vermutlich traf alles zu. Ich war so fertig, dass ich noch nicht mal etwas davon mitkriegte, dass der riesenhafteste Mensch, dem ich je im Leben begegnet war, ins Büro gerauscht kam.
»DU DA!«, ertönte es plötzlich hinter mir. » STEH AUF UND LASS DICH ANSEHEN!«
Ich drehte mich um. Ein mindestens 2,10 Meter großer, braun gebrannter Mann mit Pferdeschwanz zeigte mit dem nackten Finger auf mich. Er war nicht nur hoch gewachsen, er war auch breit und schwer und so muskulös, dass man fast befürchten musste, er würde aus allen Nähten platzen. Genauer gesagt: aus den Nähten seines Catsuits! Der Mann trug tatsächlich einen hautengen Einteiler, die Taille noch mit einem Gürtel betont. Und ein Cape! Ein wolldeckengroßes Pelzcape! An den riesigen Füßen hatte er schwarze, glänzende Springerstiefel, so groß wie Tennisschläger. Ich schätzte ihn auf 35, aber mit seinen Muskelpaketen, der Sonnenbräune und dem markanten Kinn hätte er auch zehn Jahre älter oder fünf Jahre jünger sein können. Mit fuchtelnden Händen bedeutete er mir, vom Fußboden aufzustehen. Ich tat ihm den Gefallen. Während ich diese unglaubliche Erscheinung noch staunend betrachtete, machte er sich schon daran, mich einer kritischen Prüfung zu unterziehen.
» SO! WEN HABEN WIR DENN HIER?«, brüllte er, falls man
davon bei seiner Falsettstimme überhaupt sprechen kann. »HÜBSCH JA, ABER VIEL ZU BIEDER, UND DEIN OUTFIT IST ALLES ANDERE ALS SCHMEICHELHAFT.«
»Ich heiße Andrea. Ich bin Mirandas neue Assistentin.«
Während er mich zentimeterweise mit den Augen abtastete, sah Emily sich dieses Schauspiel mit einem spöttischen Lächeln an. Die Stille war unerträglich.
»HALBSTIEFEL? ZUM KNIELANGEN ROCK? SOLL DAS EIN WITZ SEIN? SCHÄTZCHEN, FALLS DU ES NOCH NICHT GEMERKT
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