Der Teufel trägt Prada
anbrüllte, war alles. Sie musste sich sichtlich beherrschen. Ich fuhr herum. Sie hängte gerade ihre Lederjacke über ihre Gucci-Tasche und schob sich die Sonnenbrille in die Stirn. Da begriff ich, dass Emily es ganz wörtlich gemeint hatte, als sie mich vor dreieinhalb Stunden wie einen Fisch auf dem Trockenen sitzen ließ: Sie war tatsächlich essen gegangen. Und zwar nicht in die Cafeteria. Sondern in ein Restaurant. Und zwar ohne Vorwarnung. Und ich hatte wie eine Blöde das Telefon bewachen müssen, ohne Aussicht, etwas in den Magen zu bekommen oder meine Blase zu erleichtern. Doch da half alles nichts. Ich wusste, dass ich trotz dieses Verrats im Unrecht war, und machte mich darauf gefasst, von ihr zusammengestaucht zu werden. Doch das Glück war mir hold. Die Tür ging auf und die Chefredakteurin von Coquette stolzierte herein, musterte uns vom Scheitel bis zum Stöckelabsatz. Sofort packte Emily mich beim Arm und bugsierte mich in Richtung Fahrstuhl. Wie aneinander gekettet standen wir da, mein Arm in Emilys Schraubstockgriff. Erniedrigend. Ich kam mir vor wie im Film, als wäre ich in der Gewalt eines Entführers, der mir am helllichten Tag die Pistole in den Rücken drückte und mich zwang, mit ihm in seine Folterkammer hinabzusteigen.
»Wie konntest du mir das antun?«, fauchte sie, als sie mich durch die Glastür der Runway -Rezeption schubste und mich mit Lichtgeschwindigkeit zurück ins Vorzimmer schleifte. »Als Seniorassistentin trage ich die Verantwortung für unser Büro. Ich
weiß ja, dass du noch neu bist, aber ich habe es dir vom ersten Tag an eingetrichtert: Wir lassen Miranda niemals im Stich.«
»Miranda ist doch gar nicht da.« Mehr als ein Quieken brachte ich nicht über die Lippen.
»Aber sie hätte anrufen können, während du weg warst, und dann wäre keiner da gewesen, der an den Apparat geht, zum Donnerwetter!«, kreischte sie. »Unsere wichtigste Aufgabe, unsere einzige Aufgabe ist Miranda. Und wenn du damit nicht klarkommst, denk bitte daran, dass es da draußen Millionen junger Frauen gibt, die für deinen Job sterben würden. Jetzt hör deine Mailbox ab. Wenn sie angerufen hat, bist du tot. Dann bist du erledigt.«
Am liebsten hätte ich mich wie ein waidwundes Tier in meinem iMac verkrochen und wäre elendig gestorben. Wie hatte ich nur in meiner ersten Woche einen solchen Fehler begehen können? Miranda war noch nicht mal wieder aus dem Urlaub zurück, und ich hatte sie schon so bitter enttäuscht. Was hieß das schon, dass ich Hunger hatte? Mein Magen konnte warten. Ich war von wichtigen Leuten umgeben, die wichtige Aufgaben zu erledigen hatten, von Leuten, die sich auf mich verließen, und ich hatte sie enttäuscht. Ich wählte meine Mailbox an.
»Hi, Andy, ich bin’s. Alex. Das gibt’s doch nicht, dass du nicht rangehst. Ich wollte dir nur sagen, ich freue mich schon auf heute Abend. Es ist dir doch nichts dazwischengekommen, oder? Du darfst dir das Restaurant aussuchen. Rufst du mich zurück, wenn du meine Nachricht bekommen hast? Nach vier Uhr kannst du mich im Lehrerzimmer erreichen.« Sofort kriegte ich ein schlechtes Gewissen. Nach dem Lunch-Debakel hatte ich beschlossen, die Verabredung abzusagen. Nachdem meine erste Arbeitswoche so hektisch gewesen war, dass wir uns kaum gesehen hatten, wollten wir heute Abend ausgehen, nur wir zwei. Aber es würde nicht sehr romantisch werden, wenn ich am Tisch einschlief. Ich brauchte unbedingt einen freien Abend,
um wieder zu mir zu kommen. Ich durfte nicht vergessen, Alex zurückzurufen. Vielleicht konnten wir die Verabredung auf morgen verschieben.
Emily, die ihre Mailbox bereits abgehört hatte, beugte sich zu mir herunter. Ihrer relativ gelassenen Miene entnahm ich, dass Miranda ihr zumindest keine Todesdrohungen hinterlassen hatte. Ich schüttelte den Kopf als Zeichen der Entwarnung.
»Hi, Andrea, ich bin’s. Cara.« Mirandas Kindermädchen. »Ich wollte dir nur sagen, Miranda hat eben hier angerufen.« – Herzstillstand – »Anscheinend hatte sie es schon im Büro versucht, aber niemand sei rangegangen. Das kam mir spanisch vor. Da habe ich sie beruhigt, ich hätte gerade eben erst mit euch beiden gesprochen. Also, keine Panik. Sie wollte sich bloß Wo men’s Wear Daily durchfaxen lassen. Ich hatte das Heft hier und konnte es ihr schnell schicken. Inzwischen ist es auch heil bei ihr angekommen. Ich wollte es euch nur wissen lassen. Ansonsten: ein schönes Wochenende. Bis die Tage. Ciao.«
Meine Lebensretterin. Das
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