Der Teufel trägt Prada
Päckchen Zigaretten am Tag und lebte ausschließlich von Starbucks-Kaffee (auf Spesen) und Sushis zum Mitnehmen (ebenfalls auf Spesen). Zwar hatte ich nach der Amöbenruhr ein paar Pfunde zugelegt, aber seit ich bei Runway arbeitete, schmolzen sie wieder dahin wie Schnee an der Sonne. Vielleicht lag es an der Luft oder an der Verachtung, die man in der Redaktion allem Essbaren entgegenbrachte. Eine Nebenhöhlenentzündung hatte ich schon hinter mir, und von meiner Indienbräune war kaum noch ein Hauch zu sehen. Und das alles in nur vier Wochen, bei einem jungen Menschen von dreiundzwanzig. Dabei habe Miranda bis jetzt noch nicht einmal einen Fuß ins Büro gesetzt. Verdammt. Ich hatte mir ein Wochenende verdient.
Der einzige, der meinem Plan noch gefährlich werden konnte, war Harry Potter, was ihn mir nicht gerade sympathisch machte. Miranda hatte in aller Herrgottsfrühe angerufen. Sie brauchte keine Minute, um ihre Wünsche zu formulieren, aber mich kostete es eine kleine Ewigkeit, sie zu interpretieren. Eines hatte ich jedoch inzwischen schon kapiert: In Miranda Priestlys Welt war es besser, einen Fehler zu machen und ihn mit viel Zeit und Geld wieder auszubügeln, als zuzugeben, dass man ihre wirren und akustisch oft schwer verständlichen Anweisungen nicht verstanden hatte. Als sie also irgendetwas Kryptisches über die Potter-Bücher für die Zwillinge vor sich hin nuschelte, die nach Paris geflogen
werden sollten, schwante mit sofort, dass dieser Auftrag möglicherweise meine Wochenendpläne torpedieren würde. Nachdem ich aufgelegt hatte, sah ich panisch zu Emily hinüber.
»Was um alles in der Welt hat sie bloß gesagt?«, stöhnte ich. Warum, warum nur war ich zu feige gewesen, noch einmal nachzufragen? »Weshalb verstehe ich kein einziges Wort, das diese Frau von sich gibt? Es liegt nicht an mir, Em. Ich beherrsche meine Muttersprache aus dem Effeff. Ich weiß, sie macht das absichtlich, um mich in den Wahnsinn zu treiben.«
Emily warf mir den üblichen Blick zu – eine Mischung aus Genervtheit und Mitleid. »Da das Buch morgen herauskommt und Miranda nicht hier ist und es deshalb auch nicht kaufen kann, möchte sie, dass du zwei Harry Potters besorgst und sie zum Flughafen schaffst. Der Jet bringt sie dann nach Paris«, fasste sie mein Gestammel kühl zusammen. Und wehe, ich wagte es, diese abstrusen Anweisungen zu kritisieren. Also zuckte ich mit den Schultern und hielt die Klappe.
Da ich nicht die Absicht hatte, für Miranda auch nur eine Nanosekunde meines kostbaren Wochenendes zu opfern und da ich gleichzeitig über unbegrenzte Geld- und Machtmittel verfügte (Mirandas nämlich) – stürzte ich mich in die Aufgabe, für Harry Potter einen Flug nach Paris zu organisieren. Zunächst ein paar Zeilen an Julia von Scholastic Books:
Liebste Julia,
wie ich von meiner Assistentin Andrea erfahre, sind Sie die reizende Person, an die ich meinen tief empfundenen Dank zu richten habe. Sie hat mir mitgeteilt, dass Sie der einzige Mensch in ganz New York sind, der in der Lage ist, mir bis morgen zwei Exemplare unseres heiß geliebten Harry Potters zu besorgen. Sie sollen wissen, wie sehr ich Ihren Einsatz und Ihre Klugheit zu schätzen weiß. Ich möchte Ihnen auch recht herzlich im Namen meiner Töchter danken. Sie werden sie glücklich machen. Für eine Mutter gibt es doch nicht Schöneres auf der Welt als leuchtende
Kinderaugen. Sie haben uns einen wahren Freundschaftsdienst erwiesen. Wenn ich mich jemals auf irgendeine Weise bei Ihnen erkenntlich zeigen kann, zögern Sie bitte nicht, sich an mich zu wenden.
Mit den allerbesten Grüßen
Miranda Priestly
Dann setzte ich mit geübter Hand ihre Unterschrift darunter (das zweite A in Miranda etwas schnörkeliger als das erste, wie ich es von Emily gelernt hatte. Endlich machte sich das stundenlange harte Schreibtraining bezahlt), heftete den Brief an die neueste Ausgabe von Runway , die noch nicht im Handel erhältlich war, und ließ die Sendung per Eilkurier in das Büro von Scholastic Books liefern. Wenn das nicht half, konnte ich mich einsargen lassen. Miranda hatte nichts dagegen, dass wir ihre Unterschrift fälschten – so mussten wir sie wenigstens nicht dauernd mit irgendwelchem Routinekram belästigen -, aber wenn sie geahnt hätte, unter was für ein freundliches, höfliches Schreiben ich ihren Namen gesetzt hatte, wäre sie vor Wut auf die Palme gegangen.
Noch vor drei Wochen hätte ich sofort alle meine eigenen Pläne über den Haufen
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