Der Teufel und die Lady
Überredungskunst und Evelindes Versprechen, sie werde Biddy bitten, ein ganzes Blech Pasteten für sie allein zu backen, entschieden die beiden Männer, dass einer ruhig helfen konnte, während der andere weiter Wache stand. Es fiel Tavis zu, Mildrede beim Wegkarren der Streu zu helfen, während Fergus sich in der großen Halle so aufstellte, dass er von dort aus die Tür zum Wohngemach im Auge behalten konnte. Die Männer bestanden darauf, dass Evelinde ihr Tun im Gemach fortsetzte, denn sie hielten es für wenig klug, dass sie draußen mit dem Karren voller Binsen Cullen über den Weg lief.
Besser als nichts, dachte Evelinde bei sich und sah zu, wie Mildrede und Tavis so viel wie möglich von den alten Binsen auf den Handkarren packten. Nachdem sie den Raum verlassen hatten, betrachtete Evelinde den verbliebenen Haufen und kam zu dem Schluss, dass die beiden noch mindestens zwei weitere Male würden gehen müssen, um die Streu vollständig hinauszuschaffen.
Sie wandte sich erneut dem Kronleuchter zu, den sie zum Reinigen herabgelassen hatte, kratzte die Wachsreste vieler Jahre ab und ging im Geiste noch einmal durch, was sie von Tavis erfahren hatte.
Sie war nicht allein, und viel nachgedacht dürfte sie auch nicht haben.
Das klang ganz so, als habe die junge Jenny einen Liebhaber gehabt – ein dummer Fehler, da sie doch gewusst hatte, dass sie den Campbell heiraten würde, einen Mann, der für seine Grausamkeit berüchtigt war. Vielleicht hatte Jenny gehofft, dachte Evelinde, dass ihr Geliebter sie heiraten und so vor dem Campbell retten würde. Doch es hätte schon ein mächtiger Herr gewesen sein müssen, um der Rache standhalten zu können, die von den Campbells zu erwarten gewesen wäre. Der einzige mächtige Herr in Donnachaidh war jedoch Darach gewesen, und dieser hatte bereits eine Gemahlin gehabt und hätte Jenny daher nicht heiraten und retten können. Soweit Evelinde wusste, hatte damals kein anderer machtvoller Herr auf Donnachaidh geweilt … Allerdings, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf, war der Sohn eines solchen auf Besuch zugegen gewesen und kam immer noch regelmäßig hierher – Tralin.
Evelinde hielt im Säubern des Kronleuchters inne, als sie dies überdachte. Cullen hatte gesagt, dass Tralin Jenny für das hübscheste Mädchen gehalten habe, das er je gesehen habe. Was, wenn auch Jenny ihn gemocht hatte? Ganz offensichtlich hatte sie ihren Liebhaber bei den Klippen getroffen, um ungestört zu sein. Konnte es Tralin gewesen sein? War es möglich, dass sie gehofft hatte, er werde sie heiraten und vor dem Campbell bewahren?
Evelinde blinzelte und richtete sich abrupt auf, als ihr einfiel, dass es noch einen anderen mächtigen Mann auf Donnachaidh gegeben hatte – Liam, Cullens Vater.
Nein. Sie verwarf den Gedanken wieder und beugte sich erneut über den Kronleuchter. Liam hatte keine Macht besessen, nicht bis zum Tod seines Bruders. Erst da waren ihm Titel und Position des Laird zugefallen … Und das brachte sie erneut zu Tralin zurück.
Dass Jenny in Tränen aufgelöst abgereist war, konnte nur heißen, dass sie und ihr Geliebter – wer immer es war – sich gestritten hatten. Evelinde fragte sich kurz, wer es gewesen sein mochte, wurde jedoch von einem anderen beunruhigenden Gedanken abgelenkt. Tavis hatte gesagt, dass Jenny fortgeritten war, ohne ihrer Schwester Lebewohl zu sagen. Wer hatte dann aber dafür gesorgt, dass Jenny von drei Wachen eskortiert wurde? Darach etwa?
Evelinde zog ein weiteres großes Wachsstück ab und rümpfte die Nase angesichts des beißenden Rauchgeruchs, der dabei aufstieg. Es war fast, als habe sich der Qualm ins Holz gefressen, dachte sie angewidert und sah dann stirnrunzelnd auf, als sie erkannte, dass der Geruch nicht etwa der nach verbranntem Talg war, sondern …
Sie fuhr herum und riss erschrocken die Augen auf, als sie sah, dass die Fackel, die Mildrede in die Halterung neben der Tür gesteckt hatte, irgendwie herausgefallen war und den Binsenhaufen in Brand gesteckt hatte.
Evelinde griff nach dem feuchten Lappen, mit dem sie die Fenstersimse abgewischt hatte, und eilte auf den brennenden Haufen zu in der vagen Hoffnung, das Feuer löschen zu können. Doch die knochentrockenen alten Binsen brannten wie Zunder, und die Flammen schossen mit gefährlicher Gier bereits hoch auf. Mit einem bloßen Lappen würde sie den Brand nicht löschen können, und Hilfe konnte sie auch nicht holen, denn das Feuer loderte zwischen ihr und der Tür. Sie
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