Der Teufel und die Lady
sie glaubte, dass sie ohnehin auf dem besten Wege dorthin war, weil sie mich hintergangen hatte, tat sie es dennoch.«
»Es tut mir leid, Tante«, sagte Cullen leise.
Biddy sah ihn mit leeren Augen an. »Ich habe ihm so viel nachgesehen, Cullen, so viele Frauen … Aber was er Jenny angetan hat, konnte ich ihm nicht vergeben. Und das wollte ich auch nicht – nicht, nachdem ich diesen Brief gelesen hatte.«
Biddy schwieg einen Moment, in dem sie anscheinend über das Unheil nachsann, das Darach verursacht hatte. Schließlich seufzte sie.
»Ich stürmte also die Treppe hinunter, um mir den Lump vorzunehmen, doch ihr Männer wart allesamt zur Wildschweinjagd geritten.« Sie kniff die Lippen zusammen. »Daher griff ich mir Bogen und Köcher und ritt ebenfalls aus. Euch zu finden, war nicht schwer. Ich folgte eurer Jagdgesellschaft, und dann spürtet ihr die Wildschweine auf, und das nachfolgende Gemenge nutzte ich für meine Zwecke. Ich schoss auf Darach, als er stürzte, und traf ihn schon mit dem ersten Pfeil, und als es getan war, verspürte ich einen ungemein großen Frieden.«
Biddys Miene war beinahe kämpferisch, als sie dies eingestand, doch dann seufzte sie und fuhr fort: »Dieser Frieden hielt nicht lange an. Als ich zur Burg zurückkam, war die Ruhe längst dem Schuldgefühl gewichen. Nachdem eure Jagdgesellschaft zurückgekehrt war und ich erfuhr, dass Darach noch lebte, war ich erleichtert. Ich schwor mir, ihn zu heilen, und zunächst sah auch alles gut aus, aber dann …« Sie schüttelte unglücklich den Kopf. »Dann habe ich ihn doch nicht retten können«, schloss sie.
Cullen starrte seine Tante an, während sie beide erneut schwiegen. Seine Gefühle waren in Aufruhr. Er empfand Mitgefühl für Jenny und Trauer darüber, dass sie so missbraucht und ihr Leben derart zerstört worden war; er war wütend auf seinen Onkel, der sich der Schwester seiner Gemahlin gegenüber derart gefühllos und abscheulich verhalten hatte; und selbst für Biddy verspürte er Mitleid. Wäre er selbst derjenige gewesen, der diesen Brief entdeckt und gelesen hätte, so hätte er nicht sagen können, ob er den Halunken nicht vielleicht ebenfalls erschossen hätte. Gewiss hatte Darach es verdient, dafür zu sterben, dass er Jennys Leben zerstört hatte, wie auch das zahlreicher anderer Edeldamen und Frauen im Laufe der Jahre. Wenn Jennys zartes Alter und die Tatsache, dass sie die Schwester seiner eigenen Ehefrau war – und sich somit während ihres Besuchs in seiner Obhut befand –, Darach nicht abgehalten hatte, dann war keine Frau vor seiner Lüsternheit sicher gewesen.
In diesem Augenblick hätte Cullen seiner Tante gerne versichert, dass sie richtig gehandelt habe und sie beide über diese Angelegenheit kein weiteres Wort mehr zu verlieren bräuchten – wäre da nicht der Umstand gewesen, dass Darach nicht der einzige Tote gewesen war. Es gab noch seinen Vater und die kleine Maggie zu bedenken, und ebenso die Anschläge auf Evelindes Leben.
Cullen räusperte sich und richtete sich im Sattel auf. »Und mein Vater?«, fragte er.
»Liam?« Biddy warf ihm einen verwirrten Blick zu. Dann begriff sie und schüttelte den Kopf. »Damit habe ich nichts zu tun. Ich habe Darach umgebracht, aber deinem Vater hätte ich niemals auch nur ein Haar gekrümmt. Liam war ein guter Mann. Ein ehrenhafter Mann. Er hat deine Mutter aufrichtig geliebt und sich nie herausgenommen, was Darach getan hat. Nein«, wiederholte sie bestimmt. »Ich habe ihn nicht umgebracht. Ich habe wahrhaft geglaubt, dass sein Tod ein Unfall war.«
»Ihr habt geglaubt?«, hakte er nach.
»Maggies Tod war es, der mich stutzig gemacht hat«, erklärte seine Tante. »Sie begann, Fragen zum Tod deines Vaters und Darachs zu stellen, und als sie dann am Fuße der Klippen endete, fragte ich mich, ob Liams Ableben wirklich ein Unfall war«, gab sie zu. »Mir kam der Gedanke, dass es vielleicht Mord gewesen ist und Maggie jemanden mit ihren Fragen beunruhigt hat. Es schien mir ein allzu großer Zufall zu sein, dass sie beide an den Klippen starben, an denen Jenny begraben liegt.«
Cullen nickte stumm. Genau das hatte auch seine Gemahlin heute Morgen gesagt.
»Und dann«, fuhr Biddy fort, »als plötzlich auch Evelinde Unfälle zu erleiden begann, habe ich mir Sorgen gemacht. Also habe ich versucht herauszufinden, wer Liam und die kleine Maggie umgebracht haben könnte.«
»Hattet Ihr Erfolg?«, wollte Cullen wissen.
Biddy schüttelte den Kopf. »Nay, ich
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