Der Teufel und die Lady
»Das Letzte, was Cullen braucht, ist eine weitere tote Ehefrau.« Also hatte Evelinde widerstrebend davon Abstand genommen, weiter in Biddy zu dringen, und stattdessen bei anderen nachgehakt. Sie hatte mit mehreren Dienerinnen gesprochen sowie mit Scatchy – der, wie sich herausstellte, der Stallmeister war –, Fergus und einigen anderen, aber niemand war sehr gesprächig gewesen, was das Thema anging. Alles, was die Fragerei Evelinde eingebracht hatte, war eine strenge Predigt von Fergus, der ihr versichert hatte, dass ihr Gemahl niemanden umgebracht habe und dass sie, Evelinde, den Gerüchten und all diesem Unfug keinen Glauben schenken solle, denn Cullen sei ein guter Mann und sie, Evelinde, solle sich lieber darauf besinnen, ihm ein gutes Eheweib zu sein. Derart ausgiebig getadelt, hatte Evelinde die Angelegenheit umgehend fallen gelassen.
Bislang war sie also mit ihren Bemühungen nicht weit gekommen. Sie wertete auch dies als Versagen, und das ärgerte sie, denn sie wusste nicht einmal genau, warum sie es auf sich genommen hatte, alle Menschen über diese Sache auszuhorchen. Zunächst hatte Evelinde sich einzureden versucht, sie habe es für ihren Gemahl getan, um ihm auf diese Weise für seine Umsicht beim Packen ihrer Kleider zu danken. Doch in Wahrheit, so argwöhnte sie, hatte sie es getan, weil sie wie die kleine Maggie, Cullens erste Frau, hoffte, seine Zuneigung – oder zumindest seine Aufmerksamkeit – zu gewinnen, indem sie seinen Namen reinwusch.
Und war dies nicht erst recht ein trauriger Sachverhalt? fragte Evelinde sich abfällig. Sie wusste nicht einmal, warum sie die Angelegenheit so beschäftigte. Schließlich war es eine Ehe, und bei Ehen ging es selten um Liebe. Eine Ehe war ein geschäftliches Bündnis. Durch ihre Heirat hatte Cullen eine ansehnliche Mitgift erhalten und Evelinde ein Heim auf Lebenszeit. Andernfalls wäre sie entweder ihrem Bruder zur Last gefallen, indem sie weiterhin wie Edda auf d’Aumesbery gehockt hätte, oder sie wäre in ein Kloster abgeschoben worden. Liebe war nicht Teil der Ehevereinbarung. Auch Evelindes Eltern hatten sich nicht geliebt, als sie geheiratet hatten; die Liebe zwischen ihnen war erst später gewachsen, und damit hatten sie Glück gehabt. Die meisten Eheleute fanden sie nie.
»Mylady.«
»Aye?« Evelinde sah gedankenverloren auf, um zu sehen, wer sie angesprochen hatte, und wollte die Augen gerade wieder auf ihre Näherei richten, als ihr Blick erneut auf die Person fiel, die vor ihr stand. »Mildrede!«
Die Magd lachte fröhlich, als Evelinde ihre Näharbeit fortschleuderte, aufsprang und sich ihr in die Arme warf.
»Oh, Mildrede, ich habe dich so vermisst!«
»Und ich Euch, Mylady«, beteuerte Mildrede lachend und drückte ihre Herrin an sich.
»Wie kommst du hierher?«, erkundigte sich Evelinde und gab die Magd gerade so weit frei, dass sie ihr ins Gesicht sehen konnte.
Mildrede hob die Augenbrauen. »Wo sollte ich wohl sonst sein? Schließlich bin ich Eure Kammermagd. Mein Platz ist an Eurer Seite.«
»Aye, aber …« Evelinde brach verwirrt ab. Sie wollte sich gerade Cullen zuwenden und ihn um eine Erklärung bitten, als sie den Mann erblickte, der einige Schritte hinter ihrer Magd stand, und ihre Augen weiteten sich ungläubig. »Mac?«
Als dieser sah, wie fassungslos Evelinde war, verzog er den Mund zu einem breiten Grinsen. »Der bin ich«, sagte er.
Evelinde löste sich von Mildrede und eilte zu Mac hinüber, um auch ihn in die Arme zu schließen. »Ich kann nicht glauben, dass du hier bist.«
»Ich auch nicht«, gab er trocken zu. »Hätte nie gedacht, dass ich mein geliebtes Schottland noch einmal wiedersehe, doch hier bin ich nun und froh darüber«, setzte er mit fester Stimme hinzu. »Wir sind für meinen Geschmack gar nicht schnell genug von d’Aumesbery fortgekommen. Nach Eurer Abreise hat Edda den Menschen dort noch mehr zugesetzt als üblich.«
Als Evelinde bei diesen Neuigkeiten besorgt die Stirn in Falten legte, fügte Mac schnell hinzu: »Nur keine Sorge. Auf dem Weg hierher trafen wir eine kleine Reisegruppe. Wir hielten und stellten fest, dass es Alexander war, der endlich zurückgekehrt ist. Er wird sich schon um Edda kümmern.«
»Mein Bruder ist zurück?«, fragte Evelinde und juchzte vor Freude und Erleichterung auf. Sie hatte schon befürchtet, dass er in Tunis schwer verwundet worden oder gar gefallen war. Doch das war er nicht, und nun war er endlich heimgekehrt. Das war ein fast ebenso großes
Weitere Kostenlose Bücher