Der Teufel und die Lady
niederzutrampeln.
Fluchend schwang er sich aufs Pferd und spornte es aus dem Stand heraus zum Galopp an. Noch auf dem Weg zur Umzäunung wusste er, dass er es nicht rechtzeitig schaffen würde. Evelinde, so dachte er, hatte keine Chance, dem Untier zu entkommen. Doch er merkte rasch, dass er seine Gemahlin unterschätzt hatte. Sie mochte nicht schneller oder stärker als Angus sein, aber auf jeden Fall war sie klüger. Als Cullen Evelinde schon im Geiste von den Hörnern des Bullen aufgespießt und durch die Luft wirbeln sah, schlug sie plötzlich einen Haken und warf sich zu Boden.
Angus, der damit nicht gerechnet hatte, stürmte noch ein ganzes Stück weiter, ehe er die Hufe in den Boden rammen und sich herumwerfen konnte. Da aber hatte sich Evelinde schon wieder aufgerappelt und rannte auf den nächstgelegenen Zaunabschnitt zu. Sofort war Angus ihr wieder auf den Fersen, vom Rot ihres Kleides gereizt.
Cullen beugte sich tief über den Pferdehals, lenkte das Tier direkt auf die Umzäunung zu und setzte hinüber, als Evelinde sich gerade ein weiteres Mal nach einem geschlagenen Haken zu Boden warf, um nicht zermalmt zu werden. Diesmal jedoch war Angus vorbereitet und kam schneller zum Stehen, um ihr nachzusetzen. Doch Evelinde hatte den Zaun beinahe erreicht. Anstatt sich wieder aufzurappeln und über die Latten zu klettern, wobei sie unzweifelhaft unter Angus’ Hufe geraten wäre, blieb seine schlaue Gemahlin, wie Cullen sah, am Boden und rollte sich einfach unter dem Zaun hindurch in Sicherheit.
Angus bremste abrupt ab, stand wutschnaubend da und stierte die Frau auf der anderen Seite feindselig an. Evelinde starrte zurück. Erleichtert darüber, dass sie in Sicherheit war, spürte Cullen sein Herz gerade wieder ruhiger werden, als Angus jäh herumwirbelte und nun ihn aufs Korn nahm.
Jetzt war Cullen in Gefahr. Er riss sein Pferd herum und trieb es auf den Zaun zu, hinter dem er sicher sein würde, während Angus auch schon auf ihn losstürmte. Sollte der Bulle das Pferd erwischen, bevor sie aus der Koppel heraus waren, dann wären sie beide in argen Schwierigkeiten, so viel war Cullen klar. Er drückte dem Tier die Fersen in die Flanken, um es anzutreiben, doch das erwies sich als unnötig, denn auch dem Pferd lag nichts daran, von Angus zermalmt zu werden. Es schoss so schnell dahin, wie Cullen es nie zuvor erlebt hatte, und schien die kurze Entfernung bis zum Gatter beinahe fliegend zurückzulegen.
Dennoch war er sich nicht sicher, ob sie es schaffen würden. Er meinte fast, das Schnauben des Bullen im Nacken zu spüren, und rechnete schon damit, dass das Vieh sein Pferd zu Boden reißen würde, als dieses unter ihm plötzlich zum Sprung ansetzte. Cullen beugte sich weit vor, während sie durch die Luft segelten. In seiner Angst war das Tier zu früh abgesprungen, und Cullen schätzte, dass sie die oberste Zaunlatte nur knapp verfehlten, aber das reichte. Pferd und Reiter setzten hart auf dem Boden auf, während Angus mit voller Wucht von innen gegen den Zaun prallte, sodass das Holz deutlich ins Wanken geriet. Doch es hielt, und der Bulle konnte ihnen nur wild schnaubend hinterherfunkeln.
Sein Pferd war noch nicht zum Stehen gekommen, da glitt Cullen schon aus dem Sattel und eilte an Evelindes Seite.
»Seid Ihr verletzt?«, fragte er und zog sie angstvoll auf die Füße.
»Nay, mir geht es gut«, versicherte seine Gemahlin atemlos, wobei sie ihre weit aufgerissenen Augen nicht von Angus abwandte, als befürchte sie, der Bulle könne jeden Moment durch den Zaun brechen und auf sie zustürmen.
Cullen schloss kurz erleichtert die Augen und schüttelte den Kopf. Diese Frau würde ihn noch ins Grab bringen, dachte er. Immerzu brachte sie sich in Gefahr und erschreckte ihn zu Tode. Eines dieser leichtsinnigen Kunststücke würde sie eines Tages das Leben kosten. Cullen spürte, wie seine Erleichterung einem Zorn wich. »Was habt Ihr Euch dabei gedacht, Ihr törichtes Weib?«, fuhr er Evelinde an.
Diese starrte ihn mit immer noch großen Augen an, setzte an, etwas zu sagen, überlegte es sich aber anders, schnalzte stattdessen verärgert mit der Zunge und stapfte an ihm vorbei auf den Pfad zu.
Cullen setzte ihr nach. Noch nie in seinem Leben war er so fuchsteufelswild gewesen. Ein Teil von ihm wollte Evelinde für ihre Dummheit schlagen, der andere wollte sie zu Boden werfen, ihr die Kleider vom Leib reißen und sie sich gefügig machen, bis sie keine Kraft mehr hatte, ihr Leben noch einmal zu riskieren.
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