Der Teufel vom Waiga-See
Verbrecherjagd, nicht um Selbstüberwindung.“
„Verbrecherjagd?“ fragte Thea
mit großen Augen.
Karl und Tim nickten.
„Das Ganze ist doch sehr
sonderbar“, erklärte der TKKG-Häuptling. „Jemand rennt in den Wald. Blanka
setzt nach, wird getreten oder geschlagen. Ich will den Rohling stellen, gerate
in einen Hinterhalt und werde in lebensbedrohlicher Weise zu Boden geknüppelt.
Warum? Wieso rastet der Typ derart aus? Ein Verrückter? Wohl kaum. Eher einer,
der um jeden Preis verhindern will, daß man ihn sieht. Also einer mit
schlechtem Gewissen. Hast du eine Idee, Thea?“
Sie hatte keine.
„Dann fällt mir nur eine
Erklärung ein“, meinte Tim. „Es war der Teufel vom Waiga-See.“
„Aber der geht doch nur nachts
um“, hielt Karl dagegen. „Vielleicht schläft er tagsüber“, sagte Klößchen, „ist
aber Schlafwandler und deshalb jetzt auf Achse, wobei er nicht weiß, was er
tut.“
„Sehr unwahrscheinlich“, fand
Gaby.
„Hier brennt’s nirgendwo. Keine
Brandbombe ist geflogen. Null Zerstörung, soweit das Auge reicht“, überlegte
Tim. „Weshalb also geniert der sich so?“
„Du hast ihn nicht verfolgt?“
fragte Karl.
„Mir erschien das sinnlos.“
„Ist es bestimmt“, sagte Thea.
„Das Waldstück ist nicht breit, und dahinter verläuft die Straße nach
Klein-Kieferheide.“
In diesem Moment machte Tim,
der mit dem Rücken zum Wald stand und freie Sicht hatte Richtung Blockhaus,
eine Entdeckung.
14. Ein Stückchen Pappe mit G
Es mochten 800 Meter sein — von
hier bis zu dem Gebäude.
An anderer Stelle war die
Entfernung geringer — zwischen Bäumen und Blockhaus, weiter nördlich dagegen
größer.
Hier, wo die Jugendlichen
standen, blendete die Sonne nicht.
Tim erkannte Oldo von
Durstilitsch, den 19jährigen Stiefelträger, Raucher und Armbanduhren-Fan.
Er kam aus dem Blockhaus,
bückte sich und fummelte an seinen Stiefeln.
Ob er was reinsteckte oder rausnahm,
war natürlich nicht zu erkennen — auf diese Adlerblick-Weite.
„Dein Cousin, Thea“, sagte Tim,
„war im Blockhaus.“
Alle drehten sich um.
Oldo schlappte jetzt über die
Sandstraße gen Herrenhaus, hatte die andern offensichtlich nicht bemerkt.
„Er kümmert sich um alles“,
sagte Thea. „Er fühlt sich als Gutsinspektor.“
„Jetzt nützt er uns nichts“,
meinte Karl. „Wäre er mit dem Landrover hier, hätten wir dem Waiga-See-Teufel
den Weg abgeschnitten.“
Gaby pustete gegen ihren
Goldpony. Besorgt blickten die Kornblumenaugen zu Tim auf.
„Tut es noch weh?“
„Wenn keine Spätschäden
auftreten, bin ich zufrieden“, grinste er. „Ausruhen muß ich mich jedenfalls
nicht. Gehen wir zum Blockhaus, ja?“
Aus der Nähe war es noch
ansehnlicher als von weitem — mit dem Betonfundament, den festgefügten Balken
und schmiedeeisernem Gitter vor jedem Fenster.
„Das gibt es doch nicht“,
staunte Thea. „Die Tür ist offen.“
„Sonst nicht?“ fragte Gaby.
„Nie. Papas Angelruten sind
drin.“
Tim musterte die Tür.
Sie war überaus stabil und
hatte ein Sicherheitsschloß.
„Darf man eintreten?“ fragte
Tim und ging hinein.
Der große Raum war schattig und
kühl.
„Mann!“ staunte Klößchen. „Hier
sieht’s aus wie in meinem Internats-Schrank. Nur die Schokolade fehlt. Aber das
Gerümpel kann’s mit meinem Chaos aufnehmen.“
Er hatte recht. Als Gartenlaube
diente das Blockhaus offensichtlich nicht — eher als Abstellkammer.
Alte Gartenmöbel, für die sich
Reparatur nicht mehr lohnte, füllten den halben Raum. Liegen standen herum,
Wäschetrockner, zwei ausgediente Staubsauger, eine verbogene Leichtmetalleiter,
Blecheimer, Theas Kinder-Kaufmannsladen und ein großer Plüschbär, dem eine
Pfote fehlte.
In einer Ecke lehnten die
Angelruten! Vollglas- und Teleskopruten — mit allem Zubehör wie Zange,
Filiermesser, Hakenlöser, Ködernadel, Schonrachenspanner und
Schaumstoffschwimmer.
Aus dieser Ecke roch es,
vermeinte Tim, fischig.
Auf einer der Liegen war eine
Decke ausgebreitet — als hätte dort jemand geschlafen.
Karl bückte sich zu dem
Kaufmannsladen hinab.
„Hier hat jemand gefrühstückt.“
Thea lachte. „Es ist mindestens
acht Jahre her, daß ich dort Lebensmittel verkauft habe.“
„Nein, im Ernst. Hier sind
Brotreste, Hartwurstpelle, Eierschalen — und eine leere Weinflasche.“
Alle begutachteten die
Speisereste.
„Das war mein Hinterhältiger“,
sagte Tim. „Hier hat er sich vollgefressen. Hat sich gestärkt mit Hartwurst
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