Der Teufel von Garmisch
leer.
»Schmarrn«, sagte er.
Sebastian antwortete nicht. Stumm stand er auf und ging zurück in
sein Zimmer.
»Gehst morgn wieder arbeitn?«, rief sein Vater ihm hinterher.
»Ja.«
Er schloss die Tür hinter sich und setzte sich an seinen
Schreibtisch, der mit Computerzubehör, Kabeln und CD -Hüllen
bedeckt war. Er stützte die Ellbogen auf, legte das Gesicht in die Hände.
Er musste nachdenken. Es musste irgendetwas geben, das er tun
konnte. Irgendwie musste er in die Offensive kommen. Denn so, wie es jetzt war,
würde der Mörder ihm das Leben zur Hölle machen.
Sanne hatte drei Tage Urlaub genommen. Er hatte Kollegen aus dem
Vertrieb darüber reden hören, in der Cafeteria. Dass sie ausgerechnet jetzt
freimachen musste, vor der Messe in Köln, und dann auch noch rumposaunen, sie
würde die Tage nutzen, um nichts zu tun. Dass sie
eine arrogante Ziege sei, die es nicht nötig hätte, im Team zu arbeiten.
Die Kollegen hatten leise gesprochen, das Gespräch war nicht für den
Nachbartisch bestimmt gewesen, aber Sebastian hatte sehr aufmerksam gelauscht.
Als sie gegangen waren, hatte er ihnen ungläubig hinterhergestarrt.
Die beiden waren ihm noch nie besonders sympathisch gewesen, aber nach dem, was
er da gehört hatte, waren sie für ihn endgültig gestorben.
Sanne eine arrogante Ziege zu nennen empfand er als Schlag ins
Gesicht. In seines wie in ihres. Es war schlicht ein Ding der Unmöglichkeit,
sie sich als arrogant vorzustellen.
Er schreckte aus den Gedanken hoch.
Sanne lag tot in ihrem Bett. In ihrem Schlafzimmer. Einem Zimmer,
das übersät war mit seinen Spuren.
Drei Tage Urlaub. Drei Tage, in denen sie nicht vermisst werden
würde. Vielleicht konnte er diese Tage nutzen.
Aber wie?
Vielleicht konnte er Spuren beseitigen. Er war doch schon dort
gewesen, hatte sie tot dort liegen sehen. Es war hart gewesen, natürlich, aber
er hatte es geschafft. Er würde es noch einmal schaffen. Müssen.
Er sah auf die Uhr. Ein paar Stunden war es noch hell. Da ging es
natürlich nicht. Überhaupt kam nur die Nacht in Frage, wenn er wirklich noch
einmal in das Haus gehen wollte. Den Schlüssel, den der Mörder so höhnisch für
ihn in der Eingangstür hatte stecken lassen, hatte er mitgenommen, als er das
Haus wieder verlassen hatte – er hatte in der Situation einfach nicht gewusst,
was die beste Lösung dafür war, und nun hing er an seinem Schlüsselbund.
Vielleicht konnte er sogar die Leiche verstecken.
Erschrocken schüttelte er den Kopf. Die Vorstellung, ihren toten
Körper durch die Gegend zu tragen, war zu viel. Das ging nicht.
Oder doch?
* * *
Wenn Schwemmer seiner Nase trauen konnte, war es nicht wirklich
ein Friedensangebot, das Burgl da auf dem Herd hatte.
Er betrat die Küche und nahm den Deckel vom Topf.
»Beuscherl?«, fragte er enttäuscht.
»Hatten wir lange nicht mehr«, sagte Burgl. Sie nahm eine Flasche
Weißwein aus dem Kühlschrank, schenkte zwei Gläser ein und reichte ihm eines.
Er lächelte sie gequält an.
Wenn sie ein Gericht im Repertoire hatte, das er wirklich nicht
mochte, war es Beuscherl. Das hatte, wenn er ehrlich war, weniger mit Burgls
Rezept zu tun als mit dem seiner Mutter, mit dem sie ihn und die Familie immer
wieder traktiert hatte – und mit einer generellen Abneigung gegen Innereien.
Die Vorstellung, Lunge zu essen, wollte ihm einfach nicht behagen, auch wenn
Burgl ihn deswegen schon einen Unbayern geschimpft hatte.
»Ich hatte einfach Appetit drauf«, sagte sie und prostete ihm zu.
»Wie war dein Tag?«
»Ja mei …« Er seufzte und nahm einen Schluck Wein. Immerhin der war
eine Wohltat. Er nahm die Flasche und sah auf das Etikett. Ein 2009er Rivaner
aus der Pfalz. Er nickte wohlwollend.
»Nichts Aufregendes heute?«, fragte Burgl.
»Nein.« Schwemmer nahm zufrieden zur Kenntnis, dass sie ihm
explizite Fragen nach Ferdis Hund ersparte. »Sogar Schafmann geht’s bestens.«
Burgl hob skeptisch die Brauen. »Bestens? Schafmann?«
Er lachte. »Ja, ich bin auch besorgt.«
Sie setzten sich an den Küchentisch, und Burgl servierte das
Kalbslüngerl. Schwemmer vermied jeden Kommentar und ermahnte sich, objektiv
dranzugehen und seine Vorurteile einer erneuten Überprüfung zu unterziehen. So
aß er konzentriert, und fast wäre sein Vorhaben auch gelungen, wenn Burgl nicht
nach dem vierten Bissen gesagt hätte: »Ich war heute in Hechendorf.«
Schwemmer schluckte den Bissen hinunter und legte den Löffel weg. Er
nahm ein Stück Baguette aus dem Korb und
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