Der Teufel von Garmisch
begann, es zu zerbröseln.
»Ich hab mir Ferdis Praxis angeschaut«, sagte Burgl.
»Aha«, sagte Schwemmer. »Und?«
»Wirklich sehr schön. Großzügig eingerichtet. Eine Menge Platz,
direkt an der Partenkirchener Straße. Und eine Menge Klienten. Jedenfalls
dafür, dass er erst ein paar Monate da ist.«
Er sah sie abwartend an, aber er ahnte, was kommen würde.
»Ich denke, ich mach das«, sagte sie.
Schwemmer stopfte sich zwei große Stücke Baguette in den Mund und kaute
schweigend.
»Ferdi ist auch Sachverständiger«, sagte Burgl. »Du wirst also
ohnehin mit ihm zu tun bekommen.« Sie nahm einen Schluck Wein und sah ihn mit
einem Lächeln an, von dem er nicht genau sagen konnte, wie spöttisch es war.
Schwemmer spülte das Baguette mit Weißwein hinunter.
»Kommt heut was im Fernsehen?«, fragte er dann.
»›Desperate Housewives‹«, antwortete Burgl.
* * *
Sebastian rangierte den R5 zwischen die Büsche und schaltete den
Motor aus.
Seine Hände waren feucht, und er hatte Schwierigkeiten, die dünnen
Lederhandschuhe überzustreifen. Sie stammten aus dem Nachlass seiner Mutter und
waren ihm zu eng. Er hatte sie aus einer der Schubladen seines Kleiderkastens
ausgegraben, tief unten. Er zwängte die Finger hinein, und es fühlte sich gar
nicht schlecht an, wie eine zweite Haut fast. Er zog die Duschhaube aus der
Tasche, die er einmal aus einem Hotel mitgenommen hatte, in Regensburg. Da war
er für ein Vorstellungsgespräch gewesen, für eine Stelle als CAD/CAM -Projektassistent, für die er überqualifiziert
war, wie man ihm hinterher brieflich mitgeteilt hatte.
Damals war es irgendwie lustig gewesen, die Haube mitzunehmen, weil
er sich nie hatte vorstellen können, etwas wie eine Duschhaube jemals zu
benötigen. Und nun brauchte er sie, sogar dringend, um die Spuren eines
Verbrechens zu beseitigen, das er nicht begangen hatte.
Er sah sich um. Die Straße hinter den Scheiben seines R5 war schwach
beleuchtet, niemand war zu sehen. Sein Herzschlag pulste im Hals, als er
ausstieg und auf das Haus zuging. Vor der Haustür zog er die Duschhaube über
den Kopf. Das Gummiband musste im Nacken verknotet werden. Als er es nach unten
zog, streiften seine Finger die Beule am Hinterkopf. Er sog zischend Luft ein.
Der Schmerz war immer noch scharf und grell. Seine zitternden Finger machten es
ihm schwer, das Gummi zu verknoten. Es dauerte endlose Sekunden, bis er es
geschafft hatte. Hastig steckte er den Schlüssel ins Schloss und öffnete.
Als die Tür hinter ihm wieder zugefallen war, atmete er durch. Er
wollte wenigstens ein bisschen zur Ruhe kommen, bevor er das Licht
einschaltete.
Dann, im Schein der Halogenstrahler, sah er sich um. Alles war so,
wie er es hinterlassen hatte. In seiner Jackentasche steckte ein Plastikbeutel
mit einem feuchten Putzlumpen aus dem Eimer unter der Spüle. Er zog ihn heraus
und wischte damit über den Lichtschalter. Dann stieg er die Treppe hoch und
fuhr dabei mit dem Tuch sorgfältig über das Geländer.
Oben blieb er einen Moment stehen und versuchte, sich zu erinnern.
Er hatte die Tür zum Bad geöffnet. Beim zweiten Mal war er ins Bad
hineingegangen. Oder vielmehr: hineingewankt. Er hatte sich überall abgestützt,
an der Wand, an der Duschkabine, am Waschbecken.
Hastig begann er, über jede nur denkbare Stelle zu wischen, an der
ein Fingerabdruck von ihm sein konnte. Er hatte geweint. Konnte man in
getrockneten Tränen DNS -Spuren sichern? Er hatte
keine Ahnung, aber er wischte auch den Boden vor dem Becken, wo er in die Knie
gegangen war.
Als er wieder aufstand, fiel sein Blick in den Spiegel. Fast
erschrak er vor der Gestalt, auch wenn sie auf den zweiten Blick so lächerlich
aussah, wie man es sich nur denken konnte, mit den dicken Brillengläsern unter
der weißen Duschhaube. Er schaltete mit den behandschuhten Fingern das Licht
aus und ging hinüber ins Wohnzimmer.
Er sah sich um. Auf dem Glastisch standen die Flasche Pernod und das
umgefallene Glas, das er aufgerichtet hatte. Er nahm es und wischte es sauber.
Außerdem hatte er mit dem Finger in die kleine, nun klebrig angetrocknete Lache
Anisschnaps gefasst.
Er wischte den Fleck weg und ging zum Bücherregal hinüber. Dort nahm
er das Strandfoto von Sanne und dem dunkelhäutigen Mann, wischte es ab und
suchte dann unter den vielen gerahmten Bildern nach dem anderen Bild, das Sanne
und einen anderen Mann auf Pferden zeigte.
Es war nicht da.
Sebastian erstarrte. Hastig ging er noch einmal die Bilder
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