Der Teufel von Garmisch
die aus dem Eisfach mitgezählt?«
»Es lag eine Bierflasche im Eisfach?«
»Genau genommen liegt sie immer noch da.«
»Oh … nicht mehr in der ursprünglichen Form, nehme ich an?«
»Nicht wirklich. Guck’s dir mal an. Sieht lustig aus eigentlich. Ich
hatte nur gestern keinen Nerv mehr, die Schweinerei wegzumachen.«
»Was genau ist denn passiert?«
»Na, gestern Nachmittag war kein Bier im Kühlschrank, da hab ich die
Flasche –«
»Schmarrn! Was in Grainau passiert ist, will ich wissen!«
»Ach so. Zwei tote Frauen. Mindestens ein Mord.« Er stellte den
Kaffee wieder ab, ließ sich ins Kissen zurückfallen und gähnte herzhaft. »Darf
ich’s dir nach dem Frühstück erzählen?«
»Na schön.« Burgl stand auf. »Dann komm erst mal zu dir.«
Schwemmer hatte Mühe, richtig wach zu werden. Er hatte eine wirre
Geschichte geträumt, die er nicht mehr rekonstruiert bekam, die aber eine
bedrückende Stimmung hinterlassen hatte. Eine lange, dampfend heiße Dusche war
das, was er jetzt brauchte. Ich hätte gestern Abend duschen sollen, dachte er.
Vielleicht hätte ich dann besser geschlafen.
Es waren nicht die blutigen Bilder vom Tatort gewesen, die ihm das
Schlafen schwer gemacht hatten.
Es waren zwei besetzte Telefone gewesen.
Er nahm sich Zeit für eine sorgfältige und ausgedehnte
Morgentoilette, bevor er hinunter in die Küche ging. Den kalt gewordenen Kaffee
kippte er in die Spüle und nahm sich dann neuen aus der Thermoskanne.
Burgl saß am Frühstückstisch und blätterte im Tagblatt. »Hier steht
noch nichts drin«, sagte sie.
Er setzte sich und gab Milch in seinen Kaffee.
»Die waren zu spät dran. Redaktionsschluss. Aber in den Blättern mit
den großen Buchstaben steht bestimmt schon was.«
»Und was?«
»Vermutlich ›Rätselhafter Fund zweier weiblicher Leichen. Polizei
verweigert jede Information‹.«
»Warum?«
»Wir haben überhaupt noch keine Vorstellung, was da abgelaufen ist.
Deswegen kenne ich das Täterwissen nicht.«
»Und was wisst ihr?«
Schwemmer nahm sich eine Semmel aus dem Körbchen und schnitt sie
auf. »Eine achtunddreißigjährige Frau wurde erschossen in ihrem Bett
aufgefunden«, sagte er, während er die Semmel butterte. »Eine
Fünfundachtzigjährige lag tot daneben auf dem Boden.« Er belegte die Semmel mit
Fenchelsalami und biss hinein. »Ende des Wissens«, sagte er dann mit vollem
Mund.
Burgl faltete die Zeitung zusammen und legte sie auf den Stuhl neben
sich. »Hast du schlechte Laune?«, fragte sie.
Schwemmer aß den Mund leer, bevor er antwortete. »Ich hab nur
schlecht geschlafen.« Er rang sich ein Lächeln ab.
»Du Armer …« Burgl streckte die Hand über den Tisch und legte sie
auf seine. »Aber so richtig gut hab ich auch nicht geschlafen. Ich hab gestern
Abend fast drei Stunden mit Tante Kati telefoniert. Das war auch kein Spaß.«
Schwemmer sah auf. Doch Tante Kati. Seine Laune zog ein wenig an.
»Was gab’s denn?«, fragte er.
»Sie hat Streit mit einer Mitbewohnerin im Wohnheim.«
»Oh …« Schwemmer nahm einen Schluck Kaffee.
»Ja. Sie will nicht länger dort bleiben.«
»Oh …«, sagte Schwemmer wieder. Das klang nicht gut. »Wo will sie
denn hin?«
Burgl sah ihn schweigend an.
»Nein«, sagte Schwemmer. »Oder?«
»Sie hat mich gefragt.«
Schwemmer stützte die Ellbogen auf und legte das Gesicht in die
Hände. »Ich hab noch nicht mal meinen zweiten Kaffee ausgetrunken«, sagte er
zwischen den Fingern her.
»Was glaubst du denn, was ich geantwortet habe?«, fragte Burgl.
»Ich hab keine Ahnung«, sagte Schwemmer wahrheitsgemäß.
»Ich hab gesagt, es ginge nicht, weil ich wieder arbeite.«
Schwemmer sah sie wortlos an. Dazu fiel ihm nichts ein.
»Sie war beleidigt«, sagte Burgl.
»Kann ich mir vorstellen«, murmelte Schwemmer. »Worüber streiten
sich die beiden denn?«
Burgl drehte den Kopf weg und unterdrückte ein Lachen.
»Was?«, fragte Schwemmer.
»Um einen Mann«, sagte Burgl.
»Äh …« Schwemmer schüttelte hilflos den Kopf. Das war zu viel für
die Uhrzeit. Und eigentlich sollte das jemandem klar sein, der dreiunddreißig
Jahre mit ihm verheiratet war.
»Sag jetzt nichts«, sagte Burgl.
»Nein«, sagte Schwemmer. »Ich sag nichts.«
* * *
Sebastian lehnte die Stirn an die Kacheln und ließ das heiße
Wasser über den schmerzenden Nacken laufen. Er hatte keine Ahnung, wie lange er
bereits duschte, aber es war noch nicht lange genug.
Sein Körper fror nicht mehr, aber in seiner Brust war ein
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