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Der Teufel von Garmisch

Der Teufel von Garmisch

Titel: Der Teufel von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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jetzt auf die Schnelle jemanden
braucht, der die Berghofer auf der Messe ersetzt. Und so weiter. Wenn er mit
mir allein im Büro ist, tut er manchmal so, als wär ich gar nicht da. Ich meine
nur, wenn du dich jetzt auch noch krankmeldest,
flippt der aus.«
    »Als ob der Laden nicht mal einen Tag ohne mich auskäm …«
    »Lerchl hat gesagt, dass du jetzt der Einzige wärst, der den Neuen
anständig einarbeiten könnte. Im Vertrieb wärn ja jetzt nur noch …«
    »Nur noch was?«
    »Nur noch Deppen, hat er gesagt.«
    »Na, da hat er natürlich auch recht.«
    Carina lachte tatsächlich. Es war ein schüchternes kleines Lachen,
aber es perlte wie warme Musik in sein Ohr.
    »Weißt du was? Ich komm gleich. Ich muss mich nur noch ein bisschen
frisch machen. Sag Lerchl, ich bin gleich da. Wenn er fragt.«
    »Er hat schon gefragt.«
    »Na ja. Ich komm bald.«
    Er unterbrach die Verbindung und betastete seinen Ellbogen. Wenn er
den Finger auch nur leicht in die Beuge drückte, schoss eine Schmerzwelle
hinunter bis in die Fingerspitzen. Auch schaffte er es nicht, den Arm höher als
bis in die Waagerechte anzuheben, ohne dass seine Schulter heftig protestierte.
    Mit einiger Mühe zog er sich an. An der Zimmertür blieb er stehen
und starrte auf die Klinke. Hinter der Tür war sein Vater. Er hatte keine
Ahnung, was die Stimme ihm gesagt hatte. Aber er hatte keinen Zweifel, dass es
etwas »Lustiges« gewesen war. Er drückte die Klinke hinunter und trat in die
Diele.
    Sein Vater saß am Esstisch in der Stube und las Zeitung. Er drehte
nicht den Kopf, obwohl er Sebastian gehört haben musste. Sebastian trat in die
Tür.
    »Guten Morgen«, sagte er.
    Sein Vater starrte stumm und reglos auf die Zeitung. Er hatte nur
für sich gedeckt. Sebastian ging in die Küche, holte Teller, Besteck und seinen
Kaffeebecher und trug alles hinüber.
    Immer noch blieb sein Vater stumm und sah ihn nicht an. Nur die
Zeitung blätterte er geräuschvoll um. Als Sebastian sich Kaffee eingeschenkt
hatte, zog sein Vater eine Illustrierte unter der Tageszeitung hervor und
knallte sie vor ihm auf den Tisch.
    »Kannst mir sagn, was des is?«
    Sebastian sah die Zeitschrift verständnislos an. Es war eine
Waffenillustrierte, deren Namen er noch nie gehört hatte. Auf dem Titelbild
waren drei verschiedene Revolver abgebildet. »Drei Magnum-Revolver im
Vergleich« stand darunter.
    »Wo ist die her?«, fragte Sebastian.
    »Die hod dei Freind ins Postkastl gsteckt. War wohl wahnsinnig
wichtig, dass der deswegn glei dreimoi anruft, mittn in der Nacht.«
    Sebastian sah ihn unsicher an. »Was hat er dir gesagt?«
    »Dass i ned auf di warten soll. Als ob i des tät. Und dass er des da
ins Kastl gsteckt hätt für di.«
    »Sonst nix?«
    Sein Vater sah ihn stumm an. Die Lippen bildeten einen schmalen
Strich.
    »Sonst nix?«, wiederholte Sebastian.
    »Was moanst denn, wos er gsagt hod?«
    »Keine Ahnung. Das ist nicht mein Freund. Das ist irgendein
Spinner.«
    »A Spinner! Des hättst wohl gern.«
    »Wie meinst du das?«
    »Wo warst heit auf d’ Nacht?«
    Sebastian schwieg. Er nahm einen Schluck Kaffee und merkte, dass
seine Hand wieder zu zittern begonnen hatte.
    »Und gestern Nacht?«
    Carina zu belügen, am Telefon, war nicht besonders schwer gewesen.
Bei seinem Vater hatte er keine Ahnung, wie er es anfangen sollte.
    »Frag mich nicht«, sagte er leise. »Bitte.«
    Sein Vater faltete die Zeitung zusammen. Er hielt den Blick starr
auf seinen Kaffeebecher gerichtet, aber Sebastian merkte, dass er ihn aus den
Augenwinkeln beobachtete. Nervös blätterte er die Zeitschrift auf.
    Auf einer Doppelseite mit der Überschrift »Klassische Schönheit« war
mit breitem rotem Filzstift ein Kreuz gemalt. Das Foto zeigte einen schweren
Revolver, dessen ohnehin mächtiger Lauf an der Oberseite mit einer Art
Metallschiene verstärkt war. »Colt Anaconda« war seitlich auf den Lauf
graviert. »Löst auch hartnäckige Fälle« lautete die Bildunterschrift.
    »Ich muss zur Arbeit«, murmelte er und stand auf, den fast vollen
Kaffeebecher zurücklassend. Als er in der Diele seine Jacke überzog, rief sein
Vater:
    »Dass di einsperrn täten, des hod er gsagt, dei Freind, wannst net
schlau bist.«
    Sebastian quälte seinen linken Arm in den Jackenärmel und öffnete
die Tür.
    »Ich bin weg«, sagte er.
    »Und?«, rief sein Vater ihm hinterher. »Bist schlau?«
    * * *
    Natürlich ist es ein Spiel. Denn was ist
keines? Jedes Wesen, das Entscheidungen treffen kann, spielt. Es spielt

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