Der Teufel von Garmisch
wichtig. Sie muss getan werden.«
»Und das machen Sie?«
»Oh nein! Ich hab mit ihr direkt ja gar nichts zu tun … gehabt. Aber
im Moment ist das ganze Team gefragt.«
»Verstehe. Also Sie hatten wenig mit ihr zu tun. Kannten Sie sie
vielleicht privat?«
»Privat? Nein.« Jetzt kam die Stelle, vor der er am meisten Angst
hatte. »Kurz nachdem sie bei uns angefangen hat, haben wir uns mal abends zum
Essen getroffen. Das hatte sie vorgeschlagen, um mal ungestört reden zu können.
Das war das einzige Mal, dass ich sie außerhalb der Firma gesehen habe.«
Er hatte lange überlegt, ob er es erzählen sollte oder nicht, aber
es schien ihm weniger riskant, es zuzugeben, als Gefahr zu laufen, dass sie es
herausfänden. Sanne war oft im »La Vie« gewesen, sie kannten sie dort, und
vielleicht würde man sich an ihn erinnern.
Das hatte er zumindest vorher gedacht. Jetzt, nachdem er es gesagt
hatte, klang die Geschichte völlig unglaubwürdig. Man ging doch nicht mit
jemandem essen, nur um über die Arbeit zu reden.
Aber dem Polizisten schien das nicht aufzufallen. »Wann war das?«,
fragte er, ohne von seinem Notizblock aufzusehen.
»Ich weiß nicht genau. Seit wann war sie hier …?«
»Seit dreizehn Monaten«, antwortete der Kommissar, nachdem er in
seinem Block ein paar Seiten nach hinten geblättert hatte.
»Na, dann vielleicht vor zehn oder elf Monaten.« Es waren zehn
Monate und neunzehn Tage. Er meinte, das Brennen auf seiner Wange zu spüren, wo
ihre flache Hand ihn getroffen hatte an jenem Abend.
»Über was haben Sie denn da geredet in dem Restaurant?«
»Es ging ihr eigentlich vorwiegend um die Verbesserung von Abläufen.
Und manchmal sind es eben konkrete Probleme, die von bestimmten Kollegen
verursacht werden, und man kriegt das nicht abgestellt. Ich glaube, sie wollte
mal reden, ohne befürchten zu müssen, dass jemand zur Tür hereinkäme.«
»Um welche Kollegen ging es denn da?«
Auch auf diese Frage war er vorbereitet, und es gab sogar eine
glaubwürdige Antwort. »Hauptsächlich um Frau Schober. Die hat aber sowieso kurz
drauf gekündigt.«
Der Kommissar notierte den Namen. »Wissen Sie den Vornamen?«
»Nein. Wir haben uns immer gesiezt. Sie war auch nicht lange da.«
»Welche Probleme gab es mit ihr?«
Sebastian hob die Hände. »Sie konnte einfach den Job nicht und hat
es nicht bemerkt. Sie machte Fehler und bestritt es hinterher.«
»Verstehe. Wissen Sie, was sie jetzt macht?«
»Wenn ich mich nicht irre, ist sie jetzt irgendwo im
Württembergischen, bei einem Security-Dienstleister.«
Der Kommissar schrieb noch ein paar Worte, dann legte er den Block
auf den Tisch und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
»Wie würden Sie die Atmosphäre in Ihrer Firma beschreiben?«, fragte
er.
Sebastian sah ihn überrascht an. Er hatte keine Ahnung, was er
darauf antworten sollte. Allzu viel Gutes gab es nicht zu berichten über die
Atmosphäre bei GAP -Data. Es war eine Firma. Man
arbeitete. Und wenn man Pech hatte, verliebte man sich in eine Kollegin.
Was war die beste Antwort? Eine, die ihn nicht verdächtig machte.
Eine möglichst nichtssagende, die aber nicht nach Ausflucht klang.
Er sah zur Tür und wünschte sich, hindurchgehen und diese Tortur
hinter sich lassen zu dürfen. Diese Tortur, die er sich nicht einmal anmerken
lassen durfte. Er spürte, wie ein Tropfen Schweiß seinen Rücken hinablief.
Schafmann legte den Block auf den Tisch und lehnte sich in
seinem Stuhl zurück.
»Wie würden Sie die Atmosphäre in Ihrer Firma beschreiben?«, fragte
er.
Dem schmalen, nicht mehr ganz jungen Mann, der ihm gegenübersaß,
schien die Frage nicht zu behagen. Er sah zur Tür, als vermute er einen
Lauscher oder Kontrolleur.
»Keine Angst, Herr Polz«, sagte Schafmann freundlich. »Das ist
natürlich alles vertraulich. Sprechen Sie einfach frei von der Leber weg.«
»Ich weiß nicht …« Polz nahm seine Brille ab und polierte
umständlich an den dicken Gläsern herum. »Die Atmosphäre …«
Er war kaum zu verstehen, so leise sprach er. Er war ein
verschüchtertes Büromännchen, wie man es allenthalben antraf. Schafmann
rechnete nicht damit, brauchbare Informationen von ihm zu bekommen, aber es
ging ihnen ja auch zunächst um den Gesamteindruck. Es war gut, ein möglichst
umfassendes Bild zu bekommen, bevor man sich auf die Einzelheiten
konzentrierte.
»Die Atmosphäre ist ganz gut eigentlich«, sagte Polz.
Schafmann freute sich nicht wirklich auf die Arbeit an dem Fall.
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