Der Teufel von Garmisch
in sein Glas hinein. Er erwog den
Vorschlag, den Rest des Barberas zum Kochen zu verwenden und auf den Bordeaux
vom Krois Ferdl umzusteigen, aber so schlimm war der Italiener dann doch nicht.
»Ferdi ist ein guter Arzt«, sagte Burgl. »Und – ja, er tut mir auch
ein bisschen leid. Diese Scheidung war wohl wirklich kein Spaß.«
»Welche ist das schon?«
»Und sein Sohn …«
»Er hat einen Sohn? Hat er gar nicht erwähnt. Was ist mit dem?«
»Der ist bald achtzehn und wohnt bei ihm. Mit dem hat er es nicht
leicht. Ich hab Ferdi angeboten, mit ihm eine Gesprächstherapie zu machen, aber
der Junge will nicht.«
»Aha … Aber es gibt offenbar ja auch so genug zu tun«, sagte
Schwemmer. »Wenn du schon an deinem ersten Tag so lange arbeiten musstest.«
»Ja. Ich hatte schon zwei Klienten. Und gerade am Anfang einer
Therapie kann es ratsam sein, auch mal ein bisschen länger zu machen, wenn’s
möglich ist. Das trägt zur Vertrauensbildung bei.«
»Verstehe. Kann ich jetzt also immer gegen neun mit dir rechnen?«
Sie erhob sich aus dem Sessel, setzte sich neben ihn aufs Sofa und
strubbelte ihm zärtlich durchs Haar. »Nicht immer«, sagte sie. »Aber ab und an
wird es vorkommen.«
Sie nahm noch einen Schluck Wein und schüttelte den Kopf. »Für den
Preis ist das eine Unverschämtheit.«
»Wenigstens sah der Verkäufer gut aus«, sagte Schwemmer.
FÜNF
»Da ist eine Dame, die Sie dringend sprechen möchte«, sagte
Oberinspektorin Zettel am Telefon. Schwemmers Blick streifte die Uhr an der
Wand. Keine acht.
Nützt ja nix, dachte er. »Was will sie?«
»Sie ist die Mutter von Susanne Berghofer.«
»Die Mutter? Ich denk, die liegt im Krankenhaus?«
»Offenbar nicht mehr.«
»Na dann, bringen Sie sie rauf.«
Er drückte auf die Gabel, rief Schafmann an und beorderte ihn in
sein Büro.
»Um diese Zeit? Bist du schon fit?«, fragte Schafmann.
»Nein. Aber die Mutter von der Berghofer ist hier.«
»Ich komme«, sagte Schafmann.
Sekunden später betraten Zettel, Schafmann und eine sorgfältig gekleidete
Dame von Anfang sechzig sein Büro. Zettel stellte sie als Frau Margit Berghofer
vor und erklärte, sie habe sich bereits mit ihrem Personalausweis ausgewiesen.
Frau Berghofer setzte sich, strich den ziemlich engen Rock nach
unten und schlug die schlanken, für eine Frau ihres Alters auffällig straffen
Beine übereinander.
»Was ist mit Susanne geschehen?«, fragte sie.
»Darüber können wir momentan noch keine Auskunft geben«, sagte
Schwemmer.
»Warum nicht? Ich bin ihre Mutter!«
Frau Berghofer gehörte merklich nicht zu den Menschen, die
Entscheidungen nur deshalb akzeptierten, weil sie von der Polizei mitgeteilt
wurden. Ihre Haare waren dicht und von einem leuchtenden Grau, falls es so
etwas gab. Sie trug sie auf eine locker wirkende, wahrscheinlich aber aufs
Sorgfältigste frisierte Weise im Nacken zusammengebunden. Schwemmer fiel auf,
dass sie gewissenhaft und dabei sehr dezent geschminkt war.
»Wir wissen noch nicht genau, was passiert ist«, sagte er. »Was ich
Ihnen sagen kann, ist, dass Ihre Tochter Opfer eines Gewaltverbrechens geworden
ist.«
»Das hat mir Ihr depperter Kollege daheim in Lohr schon mitgeteilt«,
sagte sie.
Schwemmer musterte sie mit dem freundlichsten Gesichtsausdruck, den
er um diese Uhrzeit hinbekam. Eigentlich wirkte sie nicht wie eine Frau, die
sich von einem depperten Kollegen aufs Krankenbett strecken ließ.
Schafmann schien das ähnlich einzuschätzen. »Es ist gut zu sehen,
dass es Ihnen besser geht«, sagte er. »Wir hatten die Information, Sie lägen im
Krankenhaus.«
»Das stimmte auch, für ein paar Stunden. Ja, es hat mich schockiert
zu erfahren, dass meine Tochter ermordet wurde.« Sie saß aufrecht und sah
Schafmann direkt in die Augen. »Sollten Sie Kinder haben, werden Sie das
nachvollziehen können. Aber genauso hat mich der Wille zu erfahren, was
vorgefallen ist, auf dem schnellsten Weg hierhergeführt.«
Rhetorisch hat sie auf jeden Fall alles im Griff, dachte Schwemmer.
»Wie lange planen Sie zu bleiben?«, fragte Schafmann.
»So lange wie nötig. Ich erwarte von Ihnen eine umfassende
Aufklärung über Ihren Wissensstand, meine Herren. Aber offenbar gibt es
Informationen, die Sie mir vorenthalten.«
Schwemmer hob beschwichtigend die Hände. »Frau Berghofer –«
» Professor Berghofer«, korrigierte sie
ihn.
»Verzeihung, Frau Professor Berghofer, die Tatsache, dass Sie die
Mutter des Opfers sind, bedeutet nicht, dass –«
»Was
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