Der Teufel von Garmisch
egal.
»Mö. schlägt m. nieder«, schrieb er.
Was hatte der Mörder dann getan? Er hatte mit Sebastians Hand einen
weiteren Schuss auf die tote Sanne gefeuert. Mitten in ihre Stirn. Sebastian
merkte, wie sein Körper zu zittern begann, und zwang sich zur Ruhe.
»Mö. legt Spuren.«
»Mö. trägt m. ins Auto.«
»Mö. ruft an.«
Er versuchte, sich an das erste Gespräch mit der Stimme zu erinnern.
Es fiel ihm schwer. Vorsichtig tastete er über die Beule, die der Schlag auf
den Hinterkopf hinterlassen hatte. Er war noch gar nicht recht bei Sinnen
gewesen, als er den ersten Anruf angenommen hatte.
»Mö. hat Tatwaffe.«
Das war der Knackpunkt. Solange Sebastian die Tatwaffe nicht in
seinem Besitz hatte, war er Spielball des Schicksals. Wann immer der Mörder
beschloss, sie von der Polizei finden zu lassen, war Sebastians Leben vorbei.
Sie würden ihn einsperren, und sie würden ihn nie wieder freilassen.
»Brille«, schrieb er.
Der Mörder hatte ihn genötigt, noch einmal in Sannes Schlafzimmer zu
gehen und seine Brille zu holen. Wozu? Um ihn zu demütigen, ihm zu zeigen, wer
der Herr ist. Es war ihm gelungen.
Sebastian schrieb: »Stimme elektr. verändert.«
Ihm kam eine Idee. Er fuhr seinen PC hoch und googelte »Stimmenverzerrer«. Das Resultat war beeindruckend. Es schien
einigen Bedarf für Derartiges zu geben. Es gab professionelle Geräte für
zweihundert Euro und einfache für zehn. Man drückte sie einfach auf die
Sprechmuschel, und die Stimme wurde zur Unkenntlichkeit verändert. Gute
Kundenbewertungen erhielt ein Gerät für vierzehn Euro. Es verfügte über
sechzehn Voreinstellungen, darunter neben »Roboter« und »Darth Vader« auch
»Hohe Stimme« und funktionierte laut Kundenmeinung »extrem zuverlässig«.
Der Hersteller hieß »Geeky-Electronics«.
* * *
Schafmann schreckte aus seinen Gedanken hoch, als die
Kofferraumklappe geöffnet wurde. Etwas wurde hineingewuchtet, dann knallte die
Klappe zu. Ein paar Sekunden später öffnete sein Sohn die hintere Beifahrertür
und kletterte auf die Rückbank.
»Na, wie war’s?«, fragte Schafmann.
»Mist«, erhielt er zur Antwort. Es kam sehr leise und klang
resigniert. Er drehte sich um.
»Hey, Großer, was ist los?«, fragte er.
»Er stellt mich nicht auf am Samstag.« Fabian sah starr aus dem
Fenster. Offenbar kämpfte er mit den Tränen.
»Hat er gesagt, warum?«
Die Lippen seines Sohnes bildeten einen schmalen Strich. Eine
Antwort kam nicht.
»Warum stellt er dich nicht auf?«
Es dauerte, bis der Strich ein wenig aufweichte. Schafmann wartete
geduldig.
»Ich hab alle drei Sprints verloren heute«, flüsterte Fabian gegen
die Seitenscheibe. »Gegen den Flori, den Basti und den Schorsch. Jetzt lässt er
den Flori als Center spielen. In meiner Reihe. Und
ich bin nur Ersatz. Wahrscheinlich spiel ich keine fünf Minuten am Samstag.«
»Warum hast du denn verloren? Denen läufst du doch sonst immer
davon.«
Sein Sohn zog die Nase hoch.
»Alles in Ordnung mit dir?«
»Passt schon.«
Schafmann startete den Motor und ließ den Wagen anrollen. Langsam
fuhren sie um die Halle herum, am Landratsamt vorbei in Richtung
Sachsenkamerstraße.
»Papa?«, fragte Fabian, als sie gerade in den Kreisverkehr
einfuhren.
»Ja?«
» Muss ich eigentlich Eishockey spielen?«
Schafmann ließ ein kleines Lachen hören. Die Vorstellung, sich jede
Woche eine, oft zwei Fahrten nach Tölz sparen zu können, hatte für ihn durchaus
seinen Reiz. »Nein«, sagte er. »Du musst nicht.« Er hielt an der Ampel.
»Eigentlich find ich Eishockey blöd«, sagte sein Sohn.
Schafmann sah irritiert in den Rückspiegel. Bisher war die
Begeisterung für den Sport bei Fabian durch nichts zu bremsen gewesen, nicht
einmal durch einen gebrochenen Unterarm.
»Bloß weil du mal ein paar Sprints verloren hast, ist gleich das
ganze Eishockey blöd?«, fragte er. Die Ampel wurde grün, und er bog nach links
auf die Bundesstraße.
»Schmarrn«, sagte Fabian. Es klang nicht überzeugt.
»Warum dann?«
»Ach, immer nur Prügeleien. Das ist doch was für Prolos.«
»Wer sagt das?« Schafmann sah wieder in den Rückspiegel, aber der
Kopf seines Sohns war nicht zu sehen. »Und wieso ›immer nur Prügeleien‹? Das
ist doch Blödsinn. Wann hattest du denn deine letzte Prügelei? Das ist doch
fast ein Jahr her.«
»Das ist einfach ein Sport für Asis«, murmelte sein Sohn.
»Moment mal!«
Schafmann wandte den Kopf. Fabian sah starr zur Seite und hielt die
Stirn an die
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