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Der Teufel von Garmisch

Der Teufel von Garmisch

Titel: Der Teufel von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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Schritte und zog dabei jedes Mal
scharf die Luft ein.
    »In der Wohnung wird’s gehn«, sagte er und ließ sich in seinen
Fernsehsessel fallen. Sebastian reichte ihm noch die Fernbedienung, dann ging
er in sein Zimmer.
    Eigentlich war der Koffer schon gepackt, er musste ihn nur noch
zumachen. Mit einiger Verzweiflung sah er die Krawatte an, die er am nächsten
Morgen umbinden musste. Er fuhr den Computer hoch und googelte nach
Krawattenknoten. Als er eine Anleitung gefunden hatte, die ihm halbwegs
verständlich erschien, band er sich unter halblautem Fluchen den Stoffstreifen
um den Hals und stellte nach einem Blick in den Spiegel fest, dass der Knoten
tatsächlich so aussah wie auf der Abbildung. Eilig druckte er die Anleitung aus
und packte sie mit in den Koffer. Den Knoten öffnete er vorsichtig so weit,
dass er erhalten blieb, als er die Krawatte über den Kopf wieder abnahm. Morgen
müsste er den Knoten nur wieder zuziehen. Er atmete auf.
    Immer noch hatte die Stimme sich nicht gemeldet. Würde sie ihn heute
in Ruhe lassen? Er mochte es nicht glauben.
    Aber wenn es wirklich Selbach war, würde der nicht Wert darauf
legen, dass er morgen fit war? Wenn die Stimme sich heute Nacht nicht meldete,
war das ein weiteres Indiz, das auf den neuen Kollegen hinwies.
    Sebastian hatte eine Idee. Noch einmal gab er »Stimmenverzerrer«
ein. Bei seiner ersten Suche war er auf die Seite eines Onlineshops für
Detektivbedarf gestoßen. Die suchte er. Dort wurde eine Menge erstaunlicher
Dinge angeboten. Eine bewegungsgesteuerte Video- und Audio-Raumüberwachung,
versteckt in einem Digitalwecker, zum Beispiel. Passwort-Spione, Mikrofone, die
durch die Wand hören konnten, und eine Software, die man auf ein Handy spielen
konnte, um anschließend sämtliche Verbindungsdaten und SMS -Texte
des Gerätes online abfragen zu können. »Ideal zur Überwachung der Handys Ihrer
Kinder«, pries der Katalog. »Benutzen Sie diese Software nicht ohne Wissen und Einwilligung des Handybesitzers.«
    Siebenhundertneunundneunzig Euro, Expresslieferung möglich bei
Vorkasse.
    Man brauchte allerdings das entsprechende Handy, um die Software »in
wenigen Augenblicken« aufzuspielen.
    Sebastian kratzte sich am Kinn. Er sah durchaus die Chance, mal ein
paar unbewachte Momente mit Selbachs Handy allein zu verbringen. Aber auch bei
Expresslieferung würde er die Software erst bekommen, wenn er aus Köln wieder
da war. Oder sollte er sie sich nach Köln liefern lassen? Zu unsicher. Carina
hatte schon angedeutet, dass sie möglicherweise woanders unterkämen als
geplant. Das schien ihr sehr auf der Seele zu liegen, obwohl Selbach ihr
mehrfach versichert hatte, dass so etwas leider zum täglichen Brot des
Messereisenden gehörte und sie froh sein konnten, dass ihre Ansprechpartner
nicht Bengali oder Mandarin, sondern Deutsch sprachen – »eine Art von Deutsch«,
hatte Selbach es genannt.
    Siebenhundertneunundneunzig Euro waren natürlich eine Stange Geld,
aber Geld gehörte eigentlich nicht zu seinen Problemen. Er war nicht reich, und
er verdiente gewiss zu wenig für seine Qualifikation, aber da seine Fixkosten
sehr niedrig waren und er sich außer einem neuen PC alle drei Jahre keine Extravaganzen leistete, stellte die Summe kein Problem
für ihn dar.
    Eine Weile überlegte er noch, ob das wirklich funktionieren konnte
oder ob er hier irgendwelchen Betrügern aufsaß, dann klickte er auf »Warenkorb«
und eröffnete ein Kundenkonto.
    Er trug seine Daten ein, zahlte mit einem mulmigen Gefühl per
Vorkasse und hatte gerade auf »Bestellen« geklickt, als es an der Tür klopfte.
    Er stand auf und öffnete. Sein Vater hatte bereits seinen
Schlafanzug an; am Rahmen abgestützt stand er vor der Tür.
    »Was gibt’s?«, fragte Sebastian.
    »Zweng dem Taxi«, sagte sein Vater. »I kriag no acht Euro von
dir.«
    * * *
    Ich kann nicht beschreiben, was ich tue, aber
ich kann es umgrenzen. Es pulsiert. Und das Pulsieren lässt es über die Grenze
hinauswachsen. Es dringt nach außen. Ich dringe nach außen. Das Pulsieren ist
die Tat, der Rhythmus. Es ist die eigentliche Quelle. Ich kann es spüren. Ich
kann es spüren, sonst niemand. Dann und wann springt es, oder es fehlt ein
Schlag, aber am Ende findet alles immer wieder in den Puls zurück. Der Puls des
Handelns. Er lebt. Er tötet.

SECHS
    Sebastian hatte eine unruhige Nacht gehabt, genau wie er es
erwartet hatte. Immer wieder hatte er auf die Uhr geschaut. Um Viertel vor
fünf, zehn Minuten bevor der Wecker

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