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Der Teufel von Garmisch

Der Teufel von Garmisch

Titel: Der Teufel von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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Augen
geschlossen. Das Dösen war zwar angenehmer, als sich unterhalten zu müssen,
doch nun beschlichen ihn Gedanken an die Frau mit dem Fahrrad.
    Warum hatte sie ihn angesprochen? Er konnte sich keinen rechten Reim
darauf machen. Zu anderen Zeiten hätte er sie wahrscheinlich schon wieder
vergessen gehabt. Aber es waren keine anderen Zeiten. Es war diese Zeit. Die Zeit der toten Sanne. Alles konnte eine
Bedeutung haben.
    Mühsam schüttelte er die Gedanken ab. Hinter Uffing ging die Fahrt
über zehn Minuten ohne Halt durch, und tatsächlich kam es ihm vor, als habe er
geschlafen, als sie in Huglfing erneut hielten. Hier stieg eine Gruppe
halbwüchsiger Schüler ein, und mit der Ruhe war es endgültig vorbei.
    »Kaffee?«, fragte Carina. Sie hatte eine Thermoskanne aus ihrem
Rucksack gezogen und reichte Sebastian einen Plastikbecher. Er nahm ihn
dankbar. Der Tag würde hart werden.
    Die eigentliche Messe begann erst morgen, aber sie würden den Stand
bestücken müssen, und es gab einige Termine außerhalb der Messe, die noch von
Sanne vereinbart worden waren und die Lerchl unbedingt wahrnehmen wollte.
Immerhin würde es gutes Essen geben. Dass Dr. Lerchl darauf großen Wert
legte, war in der Firma fast legendär. Sebastian hoffte, dass es nichts gab,
von dem er nicht wusste, wie man es aß. Austern oder so was.
    »Ich bin ja mal gespannt, ob das mit den Zimmern auf dem Schiff
wirklich klappt«, sagte Carina mit einem verlegenen Lächeln.
    »Ja, da können wir auch gespannt sein«, sagte Sebastian. Er hatte
nicht die geringste Lust, neben allem anderen auch noch mit seinem Rollkoffer
auf der Suche nach einer Unterkunft durch eine fremde Großstadt zu irren –
durch Köln zumal, das nach allem, was man darüber hörte, ein eher
gewöhnungsbedürftiger Ort zu sein schien. Zumindest für einen schüchternen
Oberbayern.
    Mit der Zahl der Halte läpperten sich die Verspätungsminuten
zusammen, die der Zug einsammelte. Carina sah nervös auf ihre kleine goldene Armbanduhr,
die wahrscheinlich nicht ganz billig gewesen war, aber nicht so recht zu ihrem
breiten Handgelenk passen wollte.
    »Der ICE geht um fünfunddreißig von
Gleis 9«, las sie von ihrem ausgedruckten Reiseplan ab und sah wieder auf
die Uhr. »Wenn das so weitergeht, wird das knapp.«
    Aber als sie in Pasing ankamen, hatten sie noch gut sieben Minuten.
Draußen versuchte der Oktober nun alles, um sein Image als goldener Monat zu
widerlegen. Es goss in Strömen.
    »Wie gut, dass es Dächer gibt«, sagte Dr. Lerchl fröhlich, und
Sebastian bemerkte, dass Selbach spöttisch den Blick hob.
    Sebastian, Selbach und Carina trennten sich von den anderen und
stiegen in ihren Wagen. Tatsächlich fand Carina einen freien Platz nur eine
Reihe hinter ihnen, zumindest bis Stuttgart.
    Selbach ließ sich aufatmend in die Polster sinken, und Sebastian
setzte sich neben ihn.
    »Kaffee?«, fragte Carina von hinten.
    »Nach Ihnen«, sagte Selbach mit einem Grinsen zu Sebastian.
    Aber Carina hatte natürlich genug für alle. Auch Sandwiches bot sie
an und Schokoladenkekse. Sie nahmen dankbar und reichlich.
    Als der Zug die Außenbezirke von München hinter sich gelassen hatte,
sagte Selbach »Nun denn« und packte seinen Laptop aus. Sebastian folgte seinem
Beispiel, und kurz darauf waren sie vertieft in das Kontrollmodul der
Verladungsrückerfassung und dessen Kombination mit der
Strichcodeleservernetzung.
    »Mann, das ist nicht gut«, sagte Selbach, nachdem Sebastian ihm das
Flussdiagramm hinter der Benutzeroberfläche erläutert hatte.
    Dass Selbach nicht begeistert war, sprach definitiv für ihn. Hansi
Fellerer hatte eine Idee, die Sebastian vor ein paar Monaten unbemerkt Dr. Lerchl
als dessen eigene untergeschoben hatte, derart umständlich und
benutzerfeindlich umgesetzt, dass das Modul ohne Überarbeitung eigentlich gar
nicht in den Verkauf hätte gehen dürfen. Es war Sanne gewesen, die darauf
gedrängt hatte, es noch vor der Messe ins Programm zu integrieren, trotz
erkannter Schwächen. Es gab bei einem der »Marktbegleiter«, wie sie das nannte,
offenbar ein ähnliches und ähnlich schwaches Feature.
    »Ich nehm das auf meine Kappe«, hatte sie gesagt.
    Dr. Lerchl hatte genickt, und Sebastian hatte geschwiegen. Er
ahnte, dass sich Lerchl an genau dieses Schweigen erinnern würde, wenn die
Kunden das Ding nicht haben wollten. Sanne würde er bestimmt nicht dafür
verantwortlich machen. De mortuis nihil und so weiter – Sebastians kleines
Latinum war lange

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