Der Teufel von Garmisch
das hatte sie Sebastian einmal unter dem Siegel der
Verschwiegenheit erzählt.
Es war beide Male dieselbe Krawatte gewesen. Sein Vater hatte in
seinem Leben genauso viel Wert auf dieses Kleidungsstück gelegt wie Sebastian.
Aber er hatte auch nie auf eine Messe gemusst. Sebastian hängte zwei seiner
drei Krawatten über die Stuhllehne und begann mit der Auswahl der Hemden.
Auf dem Heimweg hatte er sich in der Von-Brug-Straße noch einen
Rollkoffer besorgt, weil er ahnte, welche Blicke der alte karierte Stoffkoffer
auf sich ziehen würde, wenn er damit in den ICE stieg.
Auswahl, falten, einpacken, wieder auspacken, dazupacken, wieder
auspacken und wieder einpacken nahmen den größten Teil seines Abends in
Anspruch. Er fuhr zusammen, als das Handy dann doch klingelte.
Es war sein Vater.
»Kannst mi holn? I hob mia an Hax verknackst.«
Sebastian unterdrückte einen Fluch. »Was ist passiert?«
»I bin falsch auftretn, des is ois.«
Er klang nicht mehr nüchtern. »Okay. Ich komm gleich«, sagte
Sebastian und unterbrach die Verbindung.
Ein paar Sekunden stand er mitten in seinem Zimmer und murmelte
Verwünschungen. Schließlich klappte er das Handy wieder auf und wählte die
Nummer seines Vaters.
»Wos is?«, meldete der sich.
»Weißt du was?«, sagte Sebastian. »Bestell dir doch einfach ein
Taxi.«
»A Taxi? Woaßt, was des kost?«
»Ich geb’s dir wieder«, sagte Sebastian und klappte das Handy
zusammen.
Das fehlte noch, dachte er. Ausgerechnet heute verstaucht sich der
Alte den Fuß. Er ging in die Küche und überprüfte den Inhalt von Kühl- und
Vorratsschrank. Sein Vater würde locker über die drei Tage kommen, nur Bier war
nicht genug da. Wieder klappte er das Handy auf und rief ihn noch einmal an.
»Wos is? Kimmst doch?«
»Nein. Aber bring dir von der Tankstelle noch ein Tragerl Bier mit.«
»Wos? Wieso denn des? Kannst des ned morgn holn?«
»Ich bin ab morgen für drei Tage auf der Messe in Köln.«
»Köln?« Sein Vater klang so fassungslos, als habe er Kathmandu
gesagt.
»Ich erklär’s dir nachher«, sagte Sebastian und steckte das Handy
wieder ein. Noch einmal ging er in Gedanken seine Sachen durch. Es fiel ihm
nichts ein, was noch fehlte, aber er hatte das sichere Gefühl, damit
falschzuliegen.
Das Handy in seiner Tasche läutete. Es war weder sein Vater noch ein
unbekannter Teilnehmer. Die Nummer im Display sagte ihm allerdings gar nichts.
Es war Volker Selbach.
»Na, alles beieinander?«, fragte er.
»Ich denk schon. Aber sicher bin ich nicht.«
»Handyladegerät?«
»Verdammt … das hätt ich liegen lassen …«
»Visitenkarten?«
»Hab ich.«
»Schuhputzzeug?«
»Ist das nötig?«
»Nur wenn Sie es vergessen. Dann wirft Ihnen garantiert irgendwer
seine Currywurst auf die Füße.« Er lachte. »Eigentlich ruf ich nur an, damit
Sie meine Handynummer speichern können. Nur für den Fall …«
»Ja, gut. Mach ich.«
»Wir sollten sehen, dass wir im Zug nebeneinandersitzen. Ich habe
noch reichlich Fragen an Sie. Wir sehen uns am Bahnhof. Servus.«
»Servus«, sagte Sebastian. Er hielt das Handy in der Hand. Er
wartete auf den Anruf der Stimme, aber das Gerät schwieg.
* * *
Schwemmer wendete den Waller in der Pfanne und nahm dann einen
Schluck von dem Riesling, den er aus dem Keller geholt hatte. Ein 2009er
Bopparder Hamm. Sehr spritzig und dennoch angenehm. Ein Blick auf die Uhr
zeigte, dass Burgls angekündigte Ankunft näherrückte. Der Fisch würde noch ein
bisschen brauchen, die Kartoffeln auch, er lag gut in der Zeit. Jetzt durfte
sich Burgl nur nicht verspäten.
Das Telefon läutete.
Na toll, dachte er, wischte die Hände an der Schürze ab und ging ins
Wohnzimmer. Nummer unterdrückt. Das hieß um diese Uhrzeit so gut wie sicher:
Tante Kati.
Abwägend hielt er das Mobilteil in der Hand, aber letztlich konnte
er sich nicht durchringen, den Anrufbeantworter die Arbeit tun zu lassen, und
meldete sich.
Es war Tante Kati.
Ab und zu »Ja«, »Hmm« und »Verstehe« murmelnd, ging er in die Küche
zurück und sah nach dem Waller. Die Zeiger rückten vor auf die vereinbarte
Zeit, und Schwemmer sah immer wieder ungeduldig zur Tür, während Tante Kati ihm
erläuterte, dass ein Leben im selben Gebäude mit der Wallhuber Vroni schlicht
kein Leben sei und auch ein Umzug innerhalb des Seniorenstifts keine Abhilfe
schaffen könne, sodass es schlicht hieß: die Vroni oder sie. Die Art und Weise,
wie dieses Frauenzimmer sich an den Schloch Bartl heranschmiss,
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