Der Teufel von Herrenhausen
Apfelschorle.
Als die Kellnerin
die Getränke gebracht hatte, nahm Herrmann sein Glas und trank es in einem Zug
bis zur Hälfte aus. Dann sah er sich um.
»Wissen Sie
eigentlich, was das heißt? Frei zu sein? Zu gehen, wohin man will, zu essen und
zu trinken, wann und was man will? Nein zu sagen, wenn einem danach ist?«
Charlotte und
Bergheim schwiegen. Natürlich wussten sie das, wenn auch nicht so wie Herrmann,
der viele Jahre darauf hatte verzichten müssen.
»Ich habe meine
Frau geliebt, wissen Sie. Aber ich war nicht immer gut zu ihr. Das habe ich
eingesehen, und das ist auch der einzige Grund, warum ich die Haft ertragen
habe. Ich habe sie geschlagen. Deswegen hat sie mich betrogen, und deswegen ist
sie gestorben.«
Vor der
Marktkirche versammelte sich eine Gruppe von jungen Leuten in schwarzer
Kleidung. Offensichtlich ein Chor.
Charlotte und
Bergheim warteten geduldig, überließen es Herrmann, wie er seine Geschichte
erzählen wollte.
»Am Anfang hab ich
gedacht, wenn ich rauskomme … Ich hab sogar dran gedacht abzuhauen, aber dann
ist mir klar geworden, dass das meine Strafe war. Die Strafe dafür, dass ich es
war, der Conny ihrem Mörder in die Arme getrieben hat. Aber … das hatte ich mir
geschworen, ich würde ihn finden und zur Strecke bringen. Und das ist mir ja
nun auch gelungen.« Er hob sein Glas und trank den Rest aus. »Kann ich noch
eins haben?«
Bergheim bestellte
noch einen Halben. Herrmann grinste. »Nett von Ihnen.«
»Geht auf Staatskosten«,
sagte Bergheim. Herrmann blickte versonnen in sein leeres Glas und nickte.
»Wo haben Sie sich
eigentlich die ganze Zeit versteckt?«, fragte Charlotte.
Ein breites
Lächeln zog sich über die schmalen Lippen. »Bei einem alten Kumpel aus dem
Knast. Der ist schon länger draußen. Und er hat dichtgehalten. Als Jutta dann
ermordet wurde, war natürlich sonnenklar, dass ich wieder den Sündenbock
abgeben würde. Da wollte ich’s lieber nicht drauf ankommen lassen und bin
abgehauen.«
Herrmann spielte
gedankenverloren mit seinem Bierdeckel. »Warum hat der Kerl sie umgebracht?«,
fragte er plötzlich.
»Es ging ums Geld.
Ihre Frau hatte gedroht, seiner Frau von dem Verhältnis zu erzählen, wenn er
sich nicht scheiden lässt«, sagte Charlotte.
Herrmann lächelte.
»Ja, so war sie, die Conny, hübsch und immer mit dem Kopf durch die Wand.«
Die Kellnerin
brachte das zweite Bier, aber Herrmann schien es nicht zu bemerken.
»Wie haben Sie
Jutta Frieder überhaupt gefunden?«, fragte Bergheim.
Herrmann lächelte.
»Wissen Sie, wir waren früher mal ‘ne ganz nette Clique. Ich hab einfach einen
alten Kumpel von damals angerufen und ihm die Sache erklärt. Er hat mir
geglaubt – und wollte sehen, was sich machen lässt. Seine Tochter und Juttas
Tochter waren damals schon befreundet und sind es wohl immer noch. Er hat mir
dann gesagt, dass sie in Bielefeld lebt – steht ziemlich unterm Pantoffel, der
arme Kerl. Menschenskind, der hätte im Knast echt nichts zu lachen gehabt.«
Dann kam das
Essen, und Herrmann ließ es sich schmecken. Bergheim und Charlotte wurden
langsam ungeduldig. Aber Herrmann brauchte nicht lange. Er schaufelte das
Essen, das köstlich duftete, in einem Mordstempo in sich hinein.
Die beiden
Polizisten sahen staunend zu. Der Chor intonierte »Sah ein Knab ein Röslein
steh’n«.
Als Herrmann
aufgegessen hatte, war er in Redelaune.
»Also, ich habe
Jutta in Bielefeld besucht, und wir haben geredet. Ich wollte eigentlich nur
von ihr wissen, ob sie etwas über Cornelia wusste, das ich nicht wusste. Ob sie
mal ‘nen anderen Freund gehabt hatte. Und dann haben wir nachgedacht. Jutta
war …« Er zögerte »… sie war ein bisschen schwerfällig. Irgendwie hat sie mir
sogar leidgetan. Glücklich war die nicht. Und dann hat sie gesagt, wie sehr sie
mich gehasst hätte damals, weil ich ihre beste Freundin umgebracht hatte. Wo
wir uns doch wieder versöhnt hätten in Paris, das hätte sie nie verstanden. Und
ich hab ihr gesagt, dass ich noch nie in Paris gewesen bin. Sie wollte mir
zuerst gar nicht glauben. Stimmt aber. Bin da noch nie gewesen. Jutta wusste
aber, dass Cornelia damals mit jemandem dahin gefahren war, und wenn ich nicht
derjenige gewesen war, na, wer war’s dann? Schließlich hatte auf der Postkarte
ja was von ›alte Liebe rostet nicht‹ gestanden und dass alles gut wird oder so.
Und dann hat Jutta sich erinnert, dass Cornelia vor unserer Heirat heimlich mit
dem Mann ihrer Chefin zusammen gewesen war.
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