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Der Teufel von Herrenhausen

Der Teufel von Herrenhausen

Titel: Der Teufel von Herrenhausen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Griffiths-Karger
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neugierige Blicke zu, während die jüngeren lärmend hin und her liefen.
Bergheim hatte sich immer gefragt, warum der Bewegungsdrang mit zunehmendem
Alter nachließ. Dann entdeckte er seinen Sohn, der – eine Wasserflasche in der
Hand – lässig an einem Baum lehnte und ihm einen unergründlichen Blick zuwarf.
Die drei Mädchen, die ihn umringten, taten es ihm gleich. Bergheim seufzte. Es
half alles nichts. Er musste diese Bagage in der Aula versammeln und ihnen
einen Vortrag halten. Er machte sich auf den Weg zum Direktor, der ihm
wahrscheinlich vor Freude um den Hals fallen würde.
    Er wollte gerade
das Zimmer des Direktors betreten, als er stutzte. Jemand, den er kannte, war
gerade am anderen Ende des Ganges vorbeigehuscht. Er beeilte sich, die zehn
Meter bis zu dem Quergang zurückzulegen, und lugte um die Ecke. Der Gang, von
dem links und rechts Türen abgingen, war leer. Bergheim zögerte. Vielleicht war
es einer von Jans Lehrern gewesen. Wahrscheinlich sogar. Er zuckte mit den Schultern
und ging zurück zum Büro des Direktors.
    In der Aula
herrschte ein mörderischer Geräuschpegel. Bergheim stand vor der Bühne und
wartete, bis die Scharen der Schüler sich langsam setzten und ihre
Aufmerksamkeit auf ihn richteten. Marlene Krieger kam als eine der letzten, und
Bergheim hatte das Gefühl, dass es bei ihrem Auftritt leiser wurde. Sie warf
ihr Haar zurück und Bergheim einen verheißungsvollen Blick zu. Der fühlte sich
nicht besonders wohl in seiner Rolle und wippte auf den Zehenspitzen auf und
ab.
    Nach weiteren fünf
Minuten waren knapp neunhundert Augenpaare neugierig auf ihn gerichtet. Er
räusperte sich und begann damit, die Schüler über den Grund seines Hierseins
aufzuklären, obwohl er sicher war, dass jedes einzelne von diesen
unergründlichen Individuen das genau wusste. Er appellierte an die Schüler,
sich nochmals genau zu fragen, wann und mit wem sie den Vermissten Timon
Wegener zuletzt gesehen hatten, ob er irgendwas gesagt hatte, was den
Ermittlern weiterhelfen würde, in welchen Chaträumen er unterwegs war, ob er
Internetbekanntschaften hatte. Er erwähnte die Verzweiflung der Eltern und
hoffte, dass seine Worte Wirkung taten und wer immer sich warum auch immer zum
Schweigen verpflichtet sah, seine Meinung ändern würde.
    Nachdem Bergheim
seine Rede gehalten hatte, verließen er und Kramer die Aula und begaben sich
zum Wagen.
    Als Bergheim das
Auto anließ, ließ Kramer endlich seinen Seufzer los.
    »Glaubst du
wirklich, dass das was bringt?«
    Bergheim nickte
und warf den Gang rein. »An einer Schule herrscht Anarchie. Die Stärksten – und
nicht unbedingt die Klügsten – haben das Sagen. Ich denke, dass diejenigen, die
ich gemeint habe, mich schon verstanden haben.«
    »Und wieso bist du
dir so sicher, dass irgendwer von seinen Mitschülern was mit Timons Verschwinden
zu tun hat?«
    Bergheim schnalzte
mit der Zunge. »Wieso legt sich ein Zehntklässler mit einem Typen wie Sokolow
an? Die Erklärung, die der mir da aufgetischt hat, kauf ich ihm nicht ab. Da
ist noch was, aber alle zittern vor diesem Kerl. Ist dir nicht aufgefallen, wie
die andern sich ducken, wenn der aufkreuzt?«
    »Na ja, er ist
eben schon älter als die meisten.«
    »Eben«, sagte
Bergheim, »älter und kräftiger. Ich hoffe bloß, dass wer immer irgendwas weiß,
sich bald aus der Reserve locken lässt.«
    Als sie die
Bödekerstraße entlangfuhren, überquerten drei Jugendliche die Fahrbahn. Einer
davon war Anton Sokolow. Er legte den Arm um ein blondes Mädchen, das ihn
anhimmelte, und warf dem anderen Jungen, der sich winkend in die andere
Richtung davonmachte, einen ernsten Blick hinterher. Der andere war Mark
Ziemer.
    Gegen halb drei
kamen Bergheim und Kramer zurück zur KFI1 und gingen in ihre Büros. Kramer machte einen Termin mit den Eltern von Eric
Bach, und Bergheim brachte das notwendige Übel, seinen Chef zu informieren,
hinter sich.
    Dann besorgte er
sich ein Schinkenbrötchen und begab sich in sein Büro, das Charlotte und er auf
eigenen Wunsch miteinander teilten.
    »Na«, sagte
Charlotte, »was sagt Ostermann?«
    »Was soll er schon
sagen«, murmelte Bergheim mit vollem Mund, »außer dass wir alle endlich mal zu
Potte kommen sollen.« Bergheim ließ sich in seinen Stuhl sinken. »Aber er hat
sich nett nach dir erkundigt.«
    »Ja, klar«, sagte
Charlotte, die in ihren Bildschirm vertieft war. »Diese ganzen Protokolle geben
einfach nichts her«, murmelte sie. »So eine ärgerliche

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