Der Teufel von Herrenhausen
Büro, wo die beiden die Akte Walter Herrmann studierten.
»Hier steht, er
hat die Tat bis zum Schluss geleugnet. Er hätte seine Frau geliebt und hätte
ihr nie ein Haar gekrümmt.«
»Ja«, erwiderte
Bergheim, »und das war gelogen. Laut Aussage der Schwiegermutter hat er seine
Frau geschlagen. Das deckt sich mit der Aussage von seinem Bewährungshelfer.
Muss ein ziemlicher Choleriker gewesen sein, der Mann.«
»Die
Schwiegermutter konnte ihn offensichtlich überhaupt nicht leiden. Sie war auch
die Hauptbelastungszeugin. Hat ausgesagt, dass ihr Schwiegersohn ihrer Tochter
damit gedroht habe, sie umzubringen, falls sie ihn verlässt. Das hatte
allerdings außer ihr keiner gehört.«
»Na ja«, brummte
Bergheim, »das reicht ja wohl auch. Ein notorisch eifersüchtiger, gewalttätiger
Mann, der kein Alibi hat und zur Tatzeit am Tatort gesehen worden ist. Außerdem
haben sie seine Fingerabdrücke an der Terrassentür ihrer Wohnung gefunden,
obwohl Herrmann da eigentlich Hausverbot hatte. Wollte mit seiner Frau reden,
wegen der Tochter. Sie hätten sich in den letzten Wochen auch wieder besser
verstanden. Und dann wär er in der fraglichen Nacht durch die Gegend gelaufen,
hat er ausgesagt. Ich bitte dich. Der hat sich das eingeredet. Die Ehe war
bestimmt alles andere als rosig. Und die Frau war ja nicht umsonst abgehauen,
mit dem damals noch kleinen Kind. So wie der Herrmann drauf war, ist er
durchgedreht, wenn sie nicht wollte, wie er. Jedenfalls hat ihn der
Bewährungshelfer so geschildert. Wobei ich mich schon wundere, dass er deeen
noch nicht um die Ecke gebracht hat.«
Charlotte nahm
einen Schluck von dem kalten Kaffee, den sie noch aus der Kanne gequetscht
hatte. Es war nicht damit zu rechnen, dass am Samstagabend in der Direktion
noch jemand für Kaffeenachschub sorgen würde.
»In der Akte stand
weiter, dass Walter Herrmann mehrfach eine einstweilige Verfügung ignoriert hat,
die ihm untersagt hat, sich seiner Frau zu nähern.«
»Tja, die Sache
scheint ziemlich klar. Die Frau reicht die Scheidung ein, er denkt sich, wenn
ich sie nicht kriege, kriegt sie auch kein anderer, und erwürgt sie. Möchte
bloß wissen, warum er jetzt auch noch die Freundin seiner Frau umbringen
musste«, sagte Bergheim und rieb sich die Augen.
Charlotte klappte
die Akte Herrmann zu und streckte sich. »Ich frage mich bloß, wieso einer, der
seine Strafe abgesessen hat, immer noch leugnet. Kann ihm doch dann ganz egal
sein.«
»Hm«, sagte
Bergheim und verschränkte die Arme vor der Brust. »Die Menschen lügen sich
schon mal gerne selbst was in die Tasche. Und wer soll es sonst gewesen sein?
Ein Einbrecher jedenfalls nicht. Sie muss ihm selbst die Tür geöffnet haben.«
»Vielleicht hatte
sie einen anderen Mann.«
»Den muss sie dann
aber wie ein Staatsgeheimnis gehütet haben. Dafür gibt es nicht den kleinsten
Hinweis.«
»Was war
eigentlich mit dem Kind?«
Charlotte zuckte
mit den Schultern. »Lisa wurde nicht dazu befragt. Stand unter Schock und hat
erst ein halbes Jahr später wieder angefangen zu sprechen.«
Bergheim nickte.
»Das hört sich für mich alles ziemlich plausibel an.«
»Ja, für mich
auch«, sagte Charlotte, »hast du übrigens mit dem Gefängnisdirektor
telefoniert?«
»Er weiß nichts,
was nicht auch in der Akte steht, hat er gesagt.«
»Wir sollten einen
Kollegen hinschicken, der sich mal mit Herrmanns Mitinsassen unterhält«,
überlegte Charlotte.
»Was versprichst
du dir davon?«, fragte Bergheim. »Als ob einer von denen den Mund aufmachen
würde.«
»Wahrscheinlich
nicht, aber versuchen sollten wir’s trotzdem.«
Charlotte stand
auf und schaltete den Computer aus. »Komm, wir gehen jetzt auf das Maschseefest
und essen und trinken uns vom Nordufer bis zur Löwenbastion durch.«
»Und du meinst,
das schaffst du?«, grinste Bergheim.
»Natürlich, wir
machen zwischendurch Pause bei den Musikgruppen und tanzen, bis wir wieder
Hunger haben.«
Sie machten sich
zu Fuß auf den Weg und gönnten sich am Nordufer eine Portion Lachs mit Rösti an
gegrillten Zucchini, mit je einem Glas Pinot Grigio. Dann schlenderten sie
durch die Massen am Ufer des Sees entlang, ließen sich mitreißen von den
Rhythmen der Bands, dem Duft nach Sommer, Bier und Grillwürstchen, dem
Konglomerat aus rockiger Livemusik und schnulzigem Schlager und nicht zuletzt
dem Geschnatter der Enten, die unermüdlich am Ufer entlangschwammen und darauf
warteten, dass jemand sein Brötchen mit ihnen teilte.
Sie schafften es
bis
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