Der Teufel von Herrenhausen
Miriam
sie verblüfft angesehen und gefragt: »Und, warum glaubst du ihm nicht?«
Darauf war
Charlotte erst mal nichts Sinnvolles eingefallen. Dann hatte sie ihre Freundin
an ihre Vergangenheit erinnert. An Thomas, mit dem treuen Hundeblick, der über
Monate nicht nur seine Lebensgefährtin Charlotte, sondern auch ihre gemeinsame
Nachbarin gevögelt hatte.
Miriam hatte sich
die Augen gerieben und gesagt: »Sei nicht so misstrauisch und hör auf, Rüdiger
mit diesem Schleimer zu vergleichen. Hast du keine anderen Sorgen?« Charlotte
war daraufhin beleidigt aufgestanden. »Wenn du meinst«, hatte sie gemurmelt und
aufbrechen wollen. Aber Miriam hatte sie zurückgehalten. »Moment! Du bist hier,
und Lukas und Dominic sind nicht hier. Das werden wir nicht ungenutzt lassen
und jetzt in aller Ruhe was trinken gehen.« Und das hatten sie dann auch
gemacht. Sie waren zum Kronsberg-Hotel gefahren und hatten gegessen und ein Glas
Wein getrunken. Am Ende hatte Charlotte sich besser gefühlt und Miriam nach
Haus gebracht.
Lukas und der
schreiende Dominic hatten die leicht angetrunkene Hausherrin an der Haustür in
Empfang genommen.
Puh, dachte
Charlotte, als sie jetzt in die Hindenburgstraße einbog, ihre Freundin hatte es
auch nicht leicht. Und vielleicht hatte sie recht. Vielleicht sollte sie
wirklich nicht so streng mit Rüdiger sein. Er war kein Mann, der log.
Andererseits, das hatte sie bei Thomas auch gedacht.
Sie parkte vor dem
Haus, in dem die Hölschers wohnten. Hohstedt war noch nicht da. Natürlich.
Martin hatte noch nie zu den Ersten gehört, die am Platz waren, wenn es um
Arbeit ging. Das machte sie wütend.
»Ich geb dir fünf
Minuten«, murmelte sie. »Und weh dir, du bist dann nicht aufgekreuzt.«
Charlotte wollte
gerade aussteigen und die Sache allein in Angriff nehmen, als sie Hohstedts BMW aus Richtung Zoo in die Hindenburgstraße einbiegen
sah.
Dein Glück, dachte
sie und warf die Autotür zu. Hohstedt zuckelte langsam heran und parkte etwa
fünfzig Meter von ihrem Wagen entfernt. Er schloss ab und kam, die Hände in den
Hosentaschen vergraben, lächelnd auf sie zu. Dir wird dein blödes Grinsen schon
noch vergehen, wenn wir hier fertig sind, dachte sich Charlotte und tippte auf
ihre Armbanduhr.
»Es ist gleich
halb elf. Wir waren um zehn verabredet.« Hohstedt war wie erwartet sofort
beleidigt. »Meine Güte, Maren hat gesagt, du bist noch nicht unterwegs, als ich
um kurz vor zehn in der KFI angerufen hab.«
»Und«, schnaubte
Charlotte, »ist das ein Grund, rumzutrödeln?«
Hohstedt stierte
sie an, sagte aber nichts mehr. Sie drehte sich um und ging über die Straße.
Hohstedt folgte ihr in sicherem Abstand. Charlotte drückte auf die Klingel.
Wieso benahm sie sich wie ein keifendes Waschweib? Sie wusste, dass Hohstedt
gerade das abbekommen hatte, was sie für Rüdiger reserviert hatte. Sie konnte
sich selbst nicht leiden. In diesem Moment ging der Türsummer, und die beiden
betraten die hochherrschaftliche Villa, in der Hölscher und Frau residierten.
Frank Hölscher
ließ sie ein. Diesmal trug er dunkle Bügelfalten und ein weißes Hemd, wie es
sich gehörte. Fehlte bloß noch der schwarze Schlips, dachte Charlotte.
»Sie müssen
entschuldigen«, empfing sie Hölscher, »meine Frau fühlt sich nicht wohl, nach
diesem Schock. Sie hat sich hingelegt.«
»Das verstehen wir
natürlich«, sagte Charlotte, »wir müssen aber trotzdem mit ihr sprechen.«
»Natürlich.«
Hölscher räusperte sich. »Ich … ich werd sie fragen.« Damit schwebte er zum Ende
des Flurs, öffnete eine Tür und betrat ein verdunkeltes Zimmer.
Charlotte ging mit
Hohstedt, der immer noch beleidigt guckte, ins Wohnzimmer. Sie kannten sich
hier ja schon aus.
Es dauerte fast
zehn Minuten, bis Hölscher, die Bügelfalte, zurückkam – seine Frau im
Schlepptau. Charlotte erschrak, als sie die Frau ansah, die jetzt im
dunkelblauen Hausanzug und in Pantoffeln das Wohnzimmer betrat. Monika Krugwald
wirkte um Jahre gealtert. Sie war ungeschminkt, ihre Haare standen wirr vom
Kopf ab, und ihr Gesicht war aufgedunsen. Sie hatte offensichtlich viel
geweint. Ihr Mann hatte den Arm um sie gelegt und führte sie zum Sofa. Sie
setzten sich, und sie kramte ein Taschentuch aus ihrer Hosentasche. Charlotte
war etwas erstaunt über diese tiefe Trauer. Die Schwestern mussten wohl sehr
aneinander gehangen haben.
»Äh«, begann sie,
»Frau Krugwald, zunächst möchte ich Ihnen natürlich unser Mitgefühl
aussprechen. Wenn ein geliebter
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