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Der Teufel von Herrenhausen

Der Teufel von Herrenhausen

Titel: Der Teufel von Herrenhausen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Griffiths-Karger
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beantworten kann.«
    »Wie meinen Sie
das?«, fragt Bergheim, der ebenfalls mit dem Plüsch zu kämpfen hatte.
    »Na ja, einerseits
verfügen Kinder in diesem Alter durchaus über ein autobiografisches oder
episodisches Gedächtnis, andererseits spielt einem die Erinnerung – und das ist
nicht nur bei Kindern so – auch oft einen Streich. Das heißt«, fuhr er fort und
schlug die langen Beine übereinander, »dass Kinder ihre Erinnerungen
unwissentlich oft ihren Phantasien und Träumen anpassen. Und in
Stresssituationen, wie es ja bei diesem Kind der Fall war, trifft das in
besonderem Maße zu. Andererseits …«
    »Sie meinen also,
dass diese Erinnerungen nicht unbedingt zuverlässig sind?«
    Professor
Wiedemann schüttelte den Kopf. »Das meine ich nicht. Nicht unbedingt. Manchmal
ist es durchaus so, dass reale Erinnerungen – mitunter nach Jahren – wieder ins
Bewusstsein gelangen. Die Evolution hat das so vorgesehen, wissen Sie, damit
das Gehirn sich an bestimmte Gefahrenmomente erinnert und sich solchen
Situationen nicht noch einmal aussetzt. Andererseits hat es schon Fälle
gegeben, in denen Opfer von Gewalt einen Täter beschreiben, der nachweislich
unschuldig war, nur weil sie ihn kurz vor der Gewalttat irgendwo gesehen haben.
Beispielsweise im Fernseher, während einer Livesendung. Es gibt da einen dokumentierten
Fall. Der Mann, der damals beschuldigt worden war, hatte also ein wasserdichtes
Alibi.« Weidemann grinste. »So nennen Sie das doch wohl?«
    Charlotte nickte.
    »Faszinierend«,
sagte Bergheim, »wie beurteilen Sie also konkret die Aussage dieser Frau? Ist
sie glaubwürdig?«
    Professor
Wiedemann zuckte die Achseln. »Kann sein, kann nicht sein. Dazu müsste ich
vielleicht mit ihr reden. Aber dabei läuft man wieder Gefahr, den Menschen
gewisse Erinnerungen zu suggerieren, die gar nicht der Realität entsprechen …«
Professor Wiedemann lächelte beinahe entschuldigend. »Sie sehen, es ist eine
sehr komplexe Thematik.«
    »Es besteht aber
die Möglichkeit, dass die junge Frau mit ihrer Vermutung recht hat?«, fragte
Charlotte.
    »Natürlich«, sagte
Professor Wiedemann.
    Charlotte dachte
einen Moment nach. »Glauben Sie, dass uns eine Gegenüberstellung weiterbringt?«
    »Das wäre einen
Versuch wert«, sagte Wiedemann und sah diskret auf seine Armbanduhr.
    Charlotte seufzte.
»Können Sie uns sonst in dieser Sache noch Hinweise geben? Wenn ich Sie richtig
verstanden habe, ist es möglich, dass das kleine Mädchen damals tatsächlich
einen anderen Mann gesehen hat, und genauso ist es möglich, dass sie sich irrt
und sich die Erinnerung nach ihren Wünschen zurechtbiegt?«
    Professor
Wiedemann nickte. »So ungefähr. Allerdings ist sie sich dessen dann nicht
bewusst. Sie glaubt tatsächlich an das, was sie sagt.«
    Bergheim schlug
sich auf die Schenkel und stand mit einem Ruck auf. »Ja, dann …«
    Charlotte quälte
sich ebenfalls aus den Polstern. Professor Wiedemann bot ihnen noch von den
Gummibärchen an, die in einem Glas auf dem Tisch standen, und führte sie dann
zum Ausgang.
    »Na klasse«, sagte
Bergheim, als sie draußen in der Sonne standen. »Jetzt wissen wir, dass alles
oder nichts möglich ist. Wie soll’s jetzt weitergehen?«
    »Jetzt«, sagte
Charlotte, »müssen wir endlich diesen Herrmann zu fassen kriegen. Ich hab da
auch schon eine Idee.«
    Bergheim
arrangierte ein Treffen mit Lisa Grosser, um das weitere Vorgehen mit ihr zu
besprechen. Charlotte hatte nämlich die Idee, Walter Herrmann zu ködern.
    Die drei saßen
sich wie gehabt in Charlottes und Bergheims Büro gegenüber. Lisa Grosser guckte
skeptisch, aber nicht abgeneigt.
    »Ich weiß nicht
recht«, sagte sie zögernd, »ich komme mir vor wie ein Lockvogel. Wer sagt mir
eigentlich, dass Sie meinen Vater nicht einfach nur einsperren wollen und mich
dazu benutzen? Am Ende hängen Sie ihm auch noch den Mord an dieser Frau aus dem
Georgengarten an.«
    Charlotte seufzte.
»Natürlich müssen wir Ihren Vater erst mal festsetzen. Immerhin hat er gegen
seine Bewährungsauflagen verstoßen. Aber haben Sie eine bessere Idee, wie sich
Ihr Vater rehabilitieren will, wenn er verschwunden bleibt? Das ist doch keine
Lösung.«
    Lisa Grosser
nickte verhalten. »Vielleicht will er sich ja gar nicht rehabilitieren. Er hat
die Strafe abgesessen, kann ihm doch eigentlich alles egal sein. Was hat er
schließlich davon, wenn Sie ihn noch mal verurteilen?«
    »Frau Grosser«,
mischte sich Bergheim ein, »wenn Ihr Vater nun tatsächlich

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