Der Teufel von Herrenhausen
rief Stefan Schliemann von der KFI 2 an. Da er nichts Neues aus dem Internet zu
berichten hatte, bekam auch er eine Portion von Charlottes schlechter Laune
zugeteilt.
Sie warf den Hörer
auf die Gabel und versuchte sich zu beruhigen. Was waren das bloß für
Arschlöcher, die sich an kleinen Mädchen vergriffen? Sie wusste nicht, auf wen
sie wütender war. Auf die Anbieter solcher »Ware« oder die Käufer, ohne die
dieser ganze ekelhafte Markt gar nicht existieren würde.
Jemand öffnete
vorsichtig ihre Tür. Es war Bremer.
»Ist Hofholt
hier?«, fragte sie barsch.
»Auf dem Weg«,
sagte Bremer und machte sich gleich wieder aus dem Staub.
Es dauerte noch
fast zwanzig Minuten, bis ein zeternder Alfons Hofholt in Charlottes Büro
geführt wurde.
»Was fällt Ihnen
ein? Das ist Rufmord! Was wollen Sie schon wieder von mir? Ich werde Sie
verklagen, wegen Amtsmissbrauch …«
Charlotte hörte
nicht hin und deutete auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch.
»Setzen«, sagte
sie, woraufhin Hofholt verdutzt in seiner Tirade innehielt. Dann legte sie das
Foto auf den Tisch. »Sind Sie das?«, fragte sie. »Ihre Wohnung ist es
jedenfalls.«
Hofholt stierte
auf das Foto, nahm es in die Hand und sank auf den Stuhl.
»Ich sage kein
Wort mehr«, murmelte er dann, und das tat er dann auch nicht mehr.
»Verdammt!«,
fluchte Charlotte, nachdem Hofholt abgeführt war. »Wie sollen wir das
entwirren, wenn keiner von diesen Armleuchtern den Mund aufmacht!«
Bremer zog sich an
die Wand zurück und räusperte sich. »Ähm, es gibt eine neue Entwicklung. Diese
Frau Masterson hat angerufen. Ihr Mann ist verschwunden. Rüdiger ist hin.«
Charlotte ließ
sich in ihren Stuhl fallen und betrachtete gedankenverloren das Foto.
»Wie identifiziert
man einen nackten Mann mit Maske?«
Ȁh, an der
Stimme?«, sagte Bremer.
»Das wäre eine
Möglichkeit.«
»Oder an
besonderen Kennzeichen?«
»Genau«, sagte
Charlotte, »besondere Kennzeichen.« Sie stand auf. »Du und Stefan, ihr wertet
weiter die Fotos aus, und sobald ihr ein bekanntes Gesicht findet, will ich das
sofort wissen. Ich fahre noch mal zum Krankenhaus. Wäre doch gelacht, wenn ich
nicht irgendjemanden zum Reden bringe!«
Rüdiger Bergheim
stand im Wohnzimmer der Mastersons und versuchte die Frau, die nervös von einer
Zimmerecke zur anderen wanderte, zu beruhigen.
»Wissen Sie, er
hatte sich so verändert. Ich glaube manchmal, er war depressiv, hatte in den
letzten Monaten kein Interesse mehr am Leben. Ja, ich weiß«, unterbrach sie
Bergheim, der zu einer Erwiderung ansetzte, »Sie glauben, er ist einfach
abgehauen, aber das glaube ich nicht. Dann hätte er doch was mitgenommen, aber
außer der Jeans und dem hellblauen Hemd, das er gestern getragen hat, fehlt
kein einziges Kleidungsstück.«
»Wann haben Sie
Ihren Mann zum letzten Mal gesehen?«
»Gestern gegen
halb sechs, bevor ich zu der Dienstbesprechung gefahren bin.«
»Und als Sie
zurückkamen, war Ihr Mann nicht da?«
»Nein, ich hab ja
zuerst geglaubt, er wäre bei seinem Kollegen, einem Grafiker – der ist
gehbehindert, und Wolfgang besucht ihn häufig, aber dort ist er nicht gewesen.
Ich hab überall angerufen. Kein Mensch hat ihn gestern gesehen oder weiß, wo er
ist.«
Bergheim erhob
sich. Wie sollte er der Frau klarmachen, dass er im Moment nichts tun konnte.
Wenn die KFI1 sich um jeden Mann, der nachts
nicht nach Hause kam, kümmern wollte, müssten sie personaltechnisch gewaltig
aufstocken. Ganz abgesehen davon tauchten die Kerle in den meisten Fällen nach
ein paar Tagen reumütig wieder auf. Vielleicht hatte er einfach eine Nacht bei
seiner Geliebten verbracht. Und genau danach fragte er Annegret Masterson
jetzt.
Die sah ihn
mitleidig an. »Wenn Wolfgang eine Geliebte hätte, dann wüsste ich das. So was
merkt eine Frau, und außerdem ist mein Mann kein Schauspieler, der würde sich
verraten.«
Bergheim war sich
da nicht so sicher. »Wie erklären Sie sich dann seine Wesensveränderung?«
»Ich glaube,
Wolfgang braucht einfach mehr Anerkennung im Beruf. Er ist eigentlich Künstler.
Er schreibt, wissen Sie. Aber statt seiner geliebten Lyrik schreibt er
Werbetexte. Das muss einen Mann ja frustrieren.«
Bergheim seufzte.
Lyrik!
»Ich nehme an, Sie
haben versucht, ihn über Handy zu erreichen«, sagte er dann.
»Natürlich, es ist
immer ausgestellt.«
»Anzunehmen«,
brummte Bergheim, notierte sich die Nummer und wandte sich dann zum Gehen.
»Warten Sie«,
sagte Frau Masterson und rieb sich
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