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Der Teufel Von Muenster

Der Teufel Von Muenster

Titel: Der Teufel Von Muenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Tante Helga zu ihr gesagt. Ich glaube Helga Plüher, es war nämlich eine Schwester der Mutter. Die hatte es auch nicht leicht …«
    »Was fahren die beiden denn für Autos?«, fragte Anna.
    Gross wirkte etwas überrascht. »Einen Audi. Mit dem fährt Sarah zu ihrer Arbeit in Burgsteinfurt. Der öffentliche Nahverkehr ist ja auch nicht mehr das, was er mal war. Ich sag immer, als älterer Mensch muss man froh sein, in dem Teil der Stadt zu leben, in dem sich das Krankenhaus befindet. Darum sind die Borghorster gegenüber den Burgsteinfurtern auch auf jeden Fall im Vorteil. Gerade wenn man in meinem Alter ist. Und auch als meine Frau krank wurde, war es sehr gut, dass wir die Klinik hier gleich um die Ecke haben, denn ich habe zwar noch ein Auto und würde auch den Führerschein niemals abgeben, aber …« Er machte eine Bewegung mit der Hand, die wohl unterstreichen sollte, dass er sich am Steuer nicht mehr wirklich sicher fühlte. »Ich will ja noch eine Weile leben, sag ich mir immer. Und der Tod im Straßenverkehr ist ja nun auch nicht unbedingt das, was man sich so für sein Ende vorstellt. Besser Herzsekundentod – abends ins Bett, Augen zu und nicht mehr aufwachen. Das ist das Beste.«
    »Herr Gross …«
    »Ja, entschuldigen Sie, ich quatsche Ihnen die Ohren voll. Wir hätten Kinder haben sollen, dann müssten die mir jetzt zuhören und nicht irgendwelche Leute … Oder eine Psychologin, die dafür bezahlt wird.«
    »Was ist hinter der Tür gegenüber?«
    »Gegenüber? Da wohnen, warten Sie mal …«
    »Nein, gegenüber Ihrer Wohnungstür, auf der anderen Seite des Flures.«
    »Ach so.«
    »Wer wohnt da?«
    »Das ist ein Abstellraum. Gehört den Aufderhaar-Schwestern. Das meiste ist vermutlich Gerümpel.«
    »Tja, dann danke ich Ihnen sehr für Ihre Auskünfte.«
    »Sie wollen schon gehen?«
    »Ja, ich muss. Leider.«
    »Wirklich schade. Von mir aus hätten wir uns gerne noch länger unterhalten können. Wenn Sie noch mal irgendwelche Fragen haben, dann wenden Sie sich gerne vertrauensvoll an mich.«
    »Oder Sie sich an mich«, gab Anna zurück und reichte Gross eine ihrer Visitenkarten.
    »Ist gar kein Zeichen von der Polizei drauf«, stellte Gross etwas irritiert fest.
    »Soll nicht so einschüchtern«, begründete Anna dies.
    »Ach so, das verstehe ich natürlich. Obwohl, wenn da wie bei Ihnen steht Diplom-Psychologin, das kann aber auch ganz schön einschüchternd sein, finden Sie nicht? Na ja, ich ruf Sie an, wenn mir noch was einfällt. Darauf können Sie sich verlassen.«
    Das befürchte ich, ging es Anna durch den Kopf.
    Sie gingen zur Tür, und Anna war froh, im Hausflur wieder einigermaßen frei atmen zu können, ohne unter dem Einfluss von Klebstoff zu stehen.
    Gross stand noch einen Augenblick an der Tür, ehe es ihm dann doch peinlich war und er sie schloss.
    Als Anna die Treppe erreichte, hörte sie erneut ein Knarren und blieb wie angewurzelt stehen.
    »Frau Aufderhaar?«, fragte sie. Da beide Schwestern diesen Namen trugen, musste sich die Gestalt, die da oben angestrengt lauschte, auf jeden Fall angesprochen fühlen. »Frau Aufderhaar? Ich würde gerne mit Ihnen sprechen. Wir sind vorhin an der Sprechanlage irgendwie unterbrochen worden.«
    Anna ging jetzt schnellen Schrittes die Treppe hinauf. Immer zwei Stufen nahm sie auf einmal. Normalerweise tat sie das nie. So raumgreifende Schritte sahen schon nicht besonders fein aus, wenn Männer sich so bewegten.
    Aber in diesem Fall entschied sich Anna, zuerst zu handeln und erst dann darüber nachzudenken, dass sie besser gezaudert hätte. Das Unerwartete tun – wie eine Motte, die sich ganz plötzlich einfach fallen ließ, damit sie nicht vom Sonar der Fledermaus erfasst und gefressen wurde. Ein Beispiel, das ihr Biologielehrer mal gebracht hatte, vor vielen Jahren. Aber Anna war es aus irgendeinem Grund im Gedächtnis geblieben. Chaotisches, spontanes Handeln, das dennoch einem Plan folgte und vor allem auch zum Ziel führte. Ihr war das immer wie ein Realität gewordener Widersinn vorgekommen. Vermutlich hatte sie dieses Beispiel auch aus diesem Grund in ihren Gedanken immer wieder aufs Neue beschäftigt. Und nun, in diesem besonderen Moment, war sie selbst die Motte, die etwas Unerwartetes tat und damit die ganze Situation veränderte.
    Innerhalb weniger Augenblicke hatte sie den Absatz erreicht.
    Die Frau, die dort im Schatten gestanden hatte, war gerade drei Stufen weit nach oben gelangt. Sie stützte sich dabei auf den Handlauf.

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