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Der Teufel Von Muenster

Der Teufel Von Muenster

Titel: Der Teufel Von Muenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Wünsche oder Befürchtungen. Und wenn dieser Mann in ihr eine Polizistin sah, obwohl sie sich doch eindeutig als etwas ganz anderes vorgestellt hatte, so konnte sie nichts dafür. Zumindest versuchte sie, sich das einzureden.
    »Sie sind Herr Gross, nehme ich an«, stellte Anna fest, und der Mann nickte heftig.
    »Ja, Arnold Gross. Was wollen Sie denn von mir?«
    »Wie gesagt, ich arbeite für die Kriminalpolizei. Haben Sie von dem Barbier gehört? Dem Mörder, der seinen Opfern die Haare abschneidet, nachdem er sie umgebracht hat.«
    »Für eine Zeitung bin ich zu geizig, das sage ich ganz ehrlich«, sagte Arnold Gross. »Was da drinsteht, sind meistens ja auch die reinsten Räuberpistolen. Oder die Politik! Da werden wir doch auch von vorne bis hinten verarscht. Aber ich höre Radio, und da haben sie ja auch immer mal wieder was darüber gebracht. Wenn Sie mich fragen, dann kann man heute nicht mehr unbehelligt über die Straße gehen, ohne dass man befürchten muss, dass man Opfer eines Gewaltverbrechens wird. Zum Beispiel diese U-Bahn-Schläger …«
    Von Höcksken auf Stöcksken, dachte Anna etwas genervt. Die Art und Weise, wie A. Gross die verschiedensten Themen in ein und demselben Atemzug miteinander vermengte und mit kühnen Ketten wild wuchernder Assoziationen einfach miteinander verband, wirkte wie eine verbale Demonstration dieser in weiten Teilen des Münsterlands bekannten Redensart.
    »Also, um ehrlich zu sein, wollte ich Sie eigentlich etwas zu Frau Aufderhaar von oben fragen.«
    »Kommt drauf an, welche der beiden Frauen Aufderhaar Sie meinen. Auseinanderhalten kann ich die beiden nämlich eigentlich nur an ihrer unterschiedlich stark ausgeprägten Unfreundlichkeit. Die eine ist sehr unfreundlich und ihre Zwillingsschwester äußerst unfreundlich, wenn ich das mal so charakterisieren soll … Aber irgendwie kann ich das auch verstehen. Schließlich …«
    Von oben war ein Knarren zu hören, so, als würde jemand auf dem Treppenabsatz stehen und das Gewicht seines Körpers leicht von einem Bein auf das andere verlagern. Eine Fliege, die bisher in aller Ruhe auf dem Handlauf der Treppe ausgeharrt hatte, stob durch ein leichtes Zittern davon. So, als hätte sich dort jemand aufgestützt, ging es Anna van der Pütten durch den Kopf.
    »Hallo – ist da wer?«, fragte sie.
    »Ach, hier knarrt und knarzt es wie in einem Geisterhaus«, meinte Arnold Gross. »Wollen Sie einen Moment hereinkommen?«
    Anna war angesichts dieser aggressiven Gastfreundlichkeit etwas überrascht. Offenbar hat dieser Mann ansonsten wenig Gelegenheit, jemandem die Ohren voll zu quatschen, dachte sie. Aber in diesem Fall war es vielleicht legitim, das auszunutzen.
    »Gerne«, sagte sie.
    »Trinken Sie Kaffee?«
    »Nein, danke.«
    »Ich auch nicht. Nur Tee. Aber ich hätte Kaffee für Sie gemacht, wenn Sie gewollt hätten.«
    Anna folgte A. Gross in dessen Wohnung. Schon auf den ersten Blick in den Flur war für Anna erkennbar, dass sie es mit einem sogenannten Messie zu tun hatte. Die Wohnung war vollkommen vermüllt. Der Flur war eigentlich sehr breit, aber es blieb nur ein schmaler Pfad in der Mitte, durch den man hindurchgehen konnte. Rechts und links waren die Wände mit übereinandergestapelten Kartons vollgestellt. Arnold Gross räumte eine Stehleiter noch schnell zur Seite, mit der er wohl üblicherweise die oberen Etagen dieser äußerst gewagten Karton-Bauwerke erreichte. Aus den Grifflöchern einiger dieser Pappkartons ragten Papierrollen und Blumenstäbe heraus. Zumindest glaubte Anna, dass es sich darum handelte.
    Ein penetranter Geruch hing in der Luft.
    Anna atmete sehr vorsichtig ein, um die Dosis an Gift- und Fäulnisstoffen, die sie dabei womöglich in sich aufnahm, nicht unnötig zu vergrößern. Aber es roch keineswegs nach Fäulnis oder verdorbenen Lebensmitteln, wie Anna eigentlich erwartet hatte, sondern nach etwas anderem.
    Sie blieb stehen und war schließlich doch dazu gezwungen, einen etwas tieferen Atemzug direkt durch die Nase zu nehmen, um diese Duftnote olfaktorisch näher bestimmen zu können.
    Leim, glaubte sie zu erkennen. Leim oder Tapetenkleister.
    Für Branagorn mit seinen extrem empfindlichen Sinnen wäre es sicherlich eine Kleinigkeit, an der Duftnuance noch die genaue Beschaffenheit zu erkennen, dachte sie ironisch. Aber sie war nun einmal weder eine Elbin noch eine Savant, und ganz gleich, welche Ursache Branagorns gesteigerte Sinneswahrnehmung auch immer haben mochte, so stand doch außer

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