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Der Teufel Von Muenster

Der Teufel Von Muenster

Titel: Der Teufel Von Muenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Frage, dass er jedem anderen Menschen, den Anna kannte, darin überlegen war.
    Allerdings hätte er vermutlich Schwierigkeiten gehabt, seine Sinneseindrücke hinterher so in Worte zu fassen, dass ein normaler Mensch das auch verstehen kann, ging es Anna durch den Kopf. Aber eigentlich war das nicht weiter verwunderlich. Schließlich war Branagorn auf seine Weise und mit seinen speziellen Fähigkeiten einzigartig. Die Anzahl der weltweit bekannten Savants bewegte sich im zweistelligen Bereich, und jeder von denen unterschied sich doch so sehr von den anderen, dass sie in der Regel noch nicht einmal erwarten konnten, unter ihresgleichen mehr Verständnis zu finden. Mehr Verständnis oder einfach nur eine etwas leichtere Kommunikation.
    »Ja, ich weiß, es sieht hier vorübergehend ein bisschen wild aus«, sagte Arnold Gross.
    Nein, das sieht nicht vorübergehend so aus, sondern schon seit schätzungsweise einem oder anderthalb Jahrzehnten, dachte Anna, behielt ihren Kommentar aber tunlichst für sich. Schließlich war sie ja nicht hier, um etwa zu beurteilen, ob dieser Mann noch fähig war, für sich selbst zu sorgen, oder ob man ihm von Amts wegen irgendwelche Hilfen aufzwingen musste. In seinem eigenen Interesse natürlich.
    Arnold Gross führte Anna in einen Raum, der vielleicht vor grauer Vorzeit mal ein Wohnzimmer gewesen war, auch wenn man das jetzt kaum noch erkennen konnte: Überall standen Kisten und Plastikbeutel. Und auf dem Tisch waren mehrere halbfertige Modellsegelschiffe zu sehen, außerdem standen zwei fertige Modelle in offenen Pappkartons. Offenbar mussten sie trocknen, jedenfalls rochen sie stark nach irgendeinem Lack, ein Geruch, der allerdings noch durch den Geruch von Klebstoff überlagert wurde.
    Arnold Gross räumte eine der Kisten von einem Sessel herunter. »Bitte nehmen Sie Platz«, sagte er.
    Unter der Kiste lagen allerdings ein paar Pinsel. Anna hob sie auf und gab sie Gross. »Bitte. Da würde ich mich ungern draufsetzen.«
    »Echthaarpinsel. Die mache ich selber, denn das, was man kaufen kann, taugt nichts. Zumindest nicht für meine Zwecke, wo es darum geht, Lacke und Klebstoffe möglichst gleichmäßig zu verteilen. Und ich will ja bei meinen Modellen nicht beim Lackieren die Hälfte der Details wieder zerstören, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Natürlich.« Anna setzte sich. Es kostete sie etwas Überwindung, denn wirklich sauber war es hier nicht. Auf dem Handlauf des Sessels hatte sich etwas Staub angesammelt. Sie setzte sich einfach deshalb, weil alles andere wie ein Affront gewirkt hätte. »Sie betreiben ja ein ziemlich intensives Hobby, Herr Gross.«
    »Ja, seit meine Frau tot ist, vertreibe ich mir damit die Zeit.«
    »Dass es dabei auf die Haare der Pinsel so sehr ankommt, habe ich gar nicht gewusst. Woher bekommen Sie denn die Haare?«
    Gross blickte auf und stutzte. Dann schien er zu begreifen.
    »Von einem Kaninchenzüchter.« Er grinste. »Also ich rasiere dafür niemandem den Schädel, obwohl man Menschenhaar auch kaufen kann. Das wird in der Perückenherstellung zum Beispiel verwendet. Aber Sie hatten ein paar Fragen an mich.«
    »Ja, ich weiß nicht, ob Sie schon gehört haben, dass dieser Barbier wieder zugeschlagen hat. Hier in Borghorst, nur ein paar Straßen weiter, ist eine Frau umgebracht worden.«
    »Das ist ja furchtbar. Und Sie glauben, dass die Aufderhaar-Frauen von oben etwas damit zu tun haben?«
    »Nein, eigentlich nicht. Aber sie könnten wichtige Zeuginnen sein. Auf jeden Fall kannte eine von ihnen das Opfer. Das steht fest. Und wir ermitteln jetzt einfach im Opferumfeld.«
    »Wie heißt denn das Opfer? Vielleicht kenne ich es ja auch.«
    »Nadine Schmalstieg.«
    Gross kniff die Augen etwas zusammen. »Sagt mir jetzt nichts, der Name.«
    »Was können Sie mir denn über die Aufderhaar-Frauen sagen? Es sind ja wohl Zwillinge. Und als Sie erwähnten, wie unfreundlich die sind, meinten Sie, dass man das auch irgendwie verstehen könne.«
    »Ja, die beiden haben es ja auch nicht einfach, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Nein, tut mir leid, das verstehe ich nicht.«
    »Soll ich Ihnen einen Tee eingießen?«
    »Nein, danke.«
    »Aber Sie gestatten, dass ich mir eine Tasse genehmige.«
    »Natürlich.«
    Er ging davon und verschwand in einem weiteren Raum, der an das ehemalige Wohnzimmer angrenzte. Anna hörte ihn herumhantieren und Geschirr klappern. Anschließend war auch zu hören, wie er einen Wasserhahn aufdrehte. Offenbar musste er sich erst

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