Der Teufel Von Muenster
Irgendetwas stimmte mit ihrem Bein nicht.
»Frau Aufderhaar?«
»Was wollen Sie von mir?«
»Sie kennen Frau Nadine Schmalstieg?«
»Lassen Sie mich einfach in Ruhe.«
»Das kann ich nicht. Eine Frau ist ermordet worden, und es gab in den letzten Jahren eine ganze Reihe von ähnlichen Verbrechen. Nadine Schmalstieg hat ein Foto auf Facebook hochgeladen, etwa siebeneinhalb Jahre alt. Da sind Sie auch drauf. Die meisten der Abgebildeten tragen irgendwelche Mittelalter-Kostüme. Mittelalter-Markt in Telgte, sagt Ihnen das was?«
Die Frau schluckte.
»Nadine und ich, das ist lange her. Wir hatten in letzter Zeit keinen Kontakt mehr.«
»Und warum standen Sie dann mit Ihrem Audi in ihrer Straße und haben sie beobachtet?«
»Wie bitte?«
»Sie sind gesehen und beschrieben worden.«
»Und wohl auch verwechselt«, stellte die dunkelhaarige Frau fest. Ihr Haarschnitt war sehr gleichmäßig. Der Pony bildete eine gerade Linie. Anna konnte nicht umhin, das zu bemerken. Und es gefiel ihr. Es war ein Zeichen der Ordnung. Es war gar nicht so einfach, sich so zu frisieren, dass nicht andauernd irgendwelche Haare aus der ihnen zugedachten Position ausbrachen. Gerade wenn man dünnes Haar hatte, so wie sie selbst. Aber ihr Gegenüber hatte dieses Problem nicht. Dickes Haar ordnete sich quasi von selbst, ja, es war von einer gewissen Stärke an sogar schier unmöglich, ihm irgendwie eine andere Ordnung aufzwingen zu wollen als die, zu der es von Natur aus tendierte.
Aber irgendetwas stimmte da nicht. Anna konnte es nicht in Worte fassen. Sie hatte das Gefühl, dass ihr Unterbewusstsein etwas wahrnahm, was dann in den höheren Schichten ihrer Persönlichkeit und ihrer Wahrnehmung nicht mehr ankam. In diesem Moment beneidete sie jemanden wie Branagorn. Für einen Savant gab es diese Filter nicht. Meistens war das ein Nachteil. Aber längst nicht immer.
»Verwechselt?«, fragte Anna.
»Ich bin Melanie Aufderhaar. Meine Schwester Sarah fährt einen Audi – ich nicht.«
»Dann sollte ich mich vielleicht mit Ihrer Schwester unterhalten.«
»Die ist zur Arbeit.«
»Vielleicht geben Sie ihr dies«, sagte Anna und reichte Melanie Aufderhaar eine Visitenkarte.
Melanie Aufderhaar warf einen Blick auf die Karte. Sie hielt sie dabei etwas hoch, sodass sie von einem Lichtstrahl erfasst wurde, der durch ein kleines Fenster auf dem nächsten Absatz ins Treppenhaus drang. »Sind Sie von der Polizei oder einfach nur eine Psychologin?«, fragte Melanie.
»Ich bin eine Kriminalpsychologin und berate die Polizei bei ihren Ermittlungen.«
»Und stellen auch selber welche an? Das ist aber seltsam. Soweit ich weiß, entspricht das keineswegs der normalen Vorgehensweise.«
»Frau Aufderhaar, ich mache mir große Sorgen. Nadine Schmalstieg hat ein Foto auf Facebook veröffentlicht …«
»Wie Sie schon mal erwähnten, wenn ich Sie daran erinnern darf.«
»… und die meisten Frauen auf dem Bild sind tot. Das sollte Ihnen und Ihrer Schwester zu denken geben.«
»Ich habe jetzt keine Lust, mit Ihnen zu sprechen.«
»Sagt Ihnen der Name Timothy Winkelströter etwas?«
Sie schluckte. Kein Zweifel. Dieser Name sagte ihr etwas.
»Auf Wiedersehen, Frau …«, sie blickte auf die Karte, »… van der Pütten.«
Dann ging sie die Treppe hinauf zu ihrer Wohnung. Anna fiel auf, dass sie dabei den Handlauf nicht losließ. Oben angekommen, drehte sie sich noch einmal kurz um und verschwand dann in ihrer Wohnung. Schwer fiel die Tür ins Schloss, und es war deutlich zu hören, wie Melanie Aufderhaar den Schlüssel demonstrativ herumdrehte.
Branagorn saß mit geschlossenen Augen auf dem Beifahrersitz des Renault, als Anna van der Pütten dorthin zurückkehrte. Sie setzte sich hinter das Steuer.
Branagorn reagierte nicht. Er schien in eine Art Meditation versunken zu sein und sich in einen tranceartigen Zustand versetzt zu haben. Vielleicht war er aber einfach nur eingeschlafen.
»Sind Sie vielleicht gewillt, in diese, einzig wirkliche Welt zurückzukehren, ehrenwerter Elbenkrieger?«, fragte Anna.
Branagorn öffnete die Augen.
»Ihr macht Euch über mich lustig und verstoßt damit gegen die Ehre Eures Standes – denn soweit ich weiß, ist es den Seelenheilern verboten, eine zynische Haltung gegen die ihnen anvertrauten Leidenden anzunehmen. Allerdings muss ich gestehen, dass Ihr nicht die Erste seid, die gegen dieses Gebot verstößt, ohne dass es geahndet würde.«
»Tut mir leid, es war nicht böse gemeint, Branagorn.«
»Dennoch
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