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Der Teufel Von Muenster

Der Teufel Von Muenster

Titel: Der Teufel Von Muenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Lokalpatrioten musste innerhalb der letzten vier Jahrzehnte inzwischen wohl auf eine Zahl im einstelligen Bereich zusammengeschmolzen sein. Haller hatte noch einen dieser Aufkleber aus seiner eigenen Grundschulzeit in Ladbergen, als sie von Heimatkundelehrern gerne verteilt wurden. Er hatte immer schon mal darüber nachgedacht, ihn aufzukleben, fand aber letztlich, dass er dazu zu schade war. Es handelte sich schließlich um ein quasi historisches Stück, und aufkleben konnte man es nur einmal – vorausgesetzt, der Klebstoff unter der Schutzfolie klebte überhaupt noch nach all diesen Jahren. Es wäre auf einen Versuch angekommen, den Haller aber angesichts des immer schnelleren technischen Verfallsdatums moderner Blechkarossen wohl so schnell nicht wagen würde.
    Haller hielt auf einem Parkplatz, von dem aus man eine hervorragende Fernsicht hatte.
    »Den Rest müssen wir leider zu Fuß gehen«, meinte er an Anna gerichtet.
    »Macht nichts, ein bisschen Bewegung tut gut«, meinte sie. »Und die Luft scheint hier auch recht frisch zu sein.«
    »Luftkurort«, sagte Haller. »Bei gutem Wetter kann man fast bis Münster sehen.«
    »Und bei nicht so gutem?«
    »Bis zu der Staubwolke aus den Schornsteinen des Zementwerks in Lengerich«, meinte Haller. »Na ja, das ist vielleicht etwas übertrieben.«
    »Tja …«
    »Woran liegt das, dass du mit meinem Humor nicht klarkommst, Anna?«
    »Vielleicht ist es derselbe Grund, aus dem manche Grundschulkinder oder Zeugen sich vor deiner Kollegin Ilse Rakowski fürchten.«
    »Wie das?«
    »Das Stichwort heißt Unangemessenheit der Äußerung.«
    »Aber das ist doch gerade der Witz.«
    »Siehst du? Da liegt das Problem.«
    »Ich wette, du hattest früher nicht viele Freunde und hast dir überlegt, wieso das bei anderen nicht so ist. Und daraus ist dann dein Interesse für Psychologie erwachsen.«
    »Ich glaube, hier liegt ein Rollenirrtum vor«, erklärte Anna ernst, während sie eine Steintreppe mit sehr tiefen Stufen emporstiegen, die zudem ziemlich rutschig waren. Haller trug Turnschuhe zu seiner Jeans und seinem ausgebeulten Jackett, dem man ansah, dass er darin viel gesessen hatte, denn es wies die dafür charakteristischen Falten auf. Anna van der Pütten hingegen trug flache, glatte Schuhe. Schuhe mit Absätzen mochte sie nicht, denn darauf stand man zu unsicher. Sicher auf festem Grund stehen, das war sehr wichtig für sie. Aber ihre Schuhe erlaubten das nur innerhalb geschlossener Räume oder auf ebenen, asphaltierten Flächen, nicht auf einem so rutschigen Pflaster wie jenem, das sie im Moment unter den Füßen hatte.
    Haller musste also schon nach kurzer Zeit auf sie warten, nachdem sie ein paarmal fast ausgerutscht wäre, als sie versuchte, sein Tempo mitzuhalten.
    »Alles in Ordnung, Anna?«
    »Ja«, ächzte sie.
    »Und wie war das mit dem Rollenirrtum?«
    »Na ja, du solltest nicht versuchen, mich zu analysieren.«
    »Aber umgekehrt ist das in Ordnung?«
    »Umgekehrt entspräche das unserem unterschiedlichen professionellen Profil.«
    »Das heißt also, dass es stimmt.«
    »Was?«
    »Das, was ich eine Vermutung nennen würde und was jemand wie du dann etwas hochtrabend zu einer Analyse hochstilisiert. Wäre es anders, würdest du nicht so empfindlich reagieren.«
    Anna holte ihn ein. »Hauptsache, es macht dich zufrieden, mich jetzt durchschaut zu haben und zu wissen, was mich zum Studium der Psychologie motiviert hat.«
    »Ehrlich gesagt wäre es mir lieber, ich würde verstehen, was den sogenannten Barbier zu seinen Handlungen motiviert.«
    »Das schaffst du auch noch, Sven. Ganz bestimmt!«
    »Diese Art der Ermutigung erinnert mich an die Art und Weise, wie manche Lehrer, die ich erlebt habe, schwache Schüler zu ermutigen versuchten, von denen sie insgeheim schon längst wussten, dass sie es niemals schaffen und mit Sicherheit sitzen bleiben werden.«
    »Und weshalb bist du zur Polizei gegangen?«, fragte Anna. »Da du nun den innersten Kern meiner Persönlichkeit durchschaut hast, wäre es doch nur fair, wenn du mir umgekehrt zu diesem Punkt etwas offenbaren würdest.«
    »Ja«, sagte Haller. »Das wäre sicherlich fair.«
    »Na, und? Worauf wartest du?«
    »Ich habe mir noch nicht zu Ende überlegt, ob ich überhaupt fair sein soll.«
    »Ach, so einer bist du.«
    »Reden wir später darüber. Der Aufstieg ist einfach zu anstrengend, und dann sage ich vielleicht Sachen, die mehr über meinen mangelnden Sauerstoffgehalt im Gehirn als über meinen Charakter

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