Der Teufel Von Muenster
ich, dass Sie nicht viel Geld haben. Aber jetzt muss ich gehen. Kommen Sie allein klar, oder soll ich irgendwen verständigen, der Sie betreut?«
»Mich betreut niemand«, erklärte Branagorn. »Ich bin seit sehr langer Zeit auf mich allein gestellt. Also macht Euch um mich keine Sorgen. Um Euch selbst aber solltet Ihr durchaus besorgt sein. Überlegt Euch daher, ob Ihr Euch nicht doch lieber den Hütern der Ordnung anvertrauen wollt.«
»Auf Wiedersehen, Herr Schmitt.«
Nachdem sie bezahlt hatte, ging sie davon.
Branagorn sah ihr nach.
Eine Warnung in Tecklenburg
Sven Haller ließ den Motor seines Volvo aufheulen und überholte dann ungeduldig das landwirtschaftliche Nutzfahrzeug auf der Straße zwischen Lengerich und Tecklenburg. Anna van der Pütten saß auf dem Beifahrersitz und dachte: Nirgendwo scheint der Mensch ursprünglicher mit seinen ureigensten und niedrigsten Instinkten verbunden zu sein als im Straßenverkehr.
Der Anruf von Pamela Strothmann aus Tecklenburg hatte dafür gesorgt, dass sich Haller auf den Weg hierher gemacht hatte. Pamela Strothmann war nämlich einer der Telefonkontakte in Jennifer Heinzes Handy-Menü. Allerdings ein Kontakt, der nur in diesem Handy-Menü vorkam. Sie hatte keinerlei Verbindungen zu den anderen Opfern – zumindest keine, von denen man bisher wusste.
Am Telefon hatte Pamela Strothmann angegeben, einen konkreten Verdacht zu haben, wer Jennifer Heinze auf dem Gewissen hatte. Näheres hatte sie am Telefon nicht sagen wollen, und ins Präsidium nach Münster zu kommen sei für sie auch nicht möglich, da sie arbeiten müsse und außerdem ihr Wagen in der Werkstatt sei.
Pamela Strothmann hatte das Gespräch ziemlich abrupt abgebrochen. So zumindest hatte es Ilse Rakowski berichtet – die Kollegin, die das Gespräch angenommen hatte.
»Ich will ja nichts gegen Frau Rakowski sagen, aber ich glaube, wenn ich eine Zeugin wäre und sie am Telefon hätte, würde ich mich auch erschrecken und auflegen«, meinte Anna van der Pütten.
»Na ja, ich gebe zu, dass Frau Rakowski nicht unbedingt die sensibelste Kollegin ist, die bei uns Dienst tut«, gab Haller zu. »Allerdings wurden wir in der ersten Zeit durch Anrufe geradezu überschwemmt. Da konnten wir nicht nur die netten und freundlichen Kollegen an die Leitungen setzen. Oder gar psychologisch geschultes Personal, so wie Sie.«
»Ganz normale geschäftsmäßige Freundlichkeit wäre doch schon genug«, meinte Anna.
Ilse Rakowski war zwar eine sehr zarte Frau, der selbst die kleinste Uniformgröße noch locker zu sitzen schien. Allerdings hatte sie eine Stimme, die so rau war, dass viele Männerstimmen dagegen mädchenhaft wirkten. Darüber hinaus schien sie vollkommen unfähig zu sein, leise zu sprechen, was sie darauf schob, dass sie zusammen mit fünf lauten Brüdern aufgewachsen war, wo wohl immer der lauteste letztlich recht bekommen hatte. Diese Geschichte fand Anna insofern plausibel, als Ilse Rakowski tatsächlich einem der letzten geburtenstarken Jahrgänge angehörte. Inzwischen hatte Anna lange genug mit der Münsteraner Polizei zu tun, um zu wissen, dass dort über die Herkunft von Ilse Rakowskis Stimme noch ein paar andere Legenden kursierten. Dazu gehörten übermäßiger Konsum harter Alkoholika, eine Schilddrüsenoperation, ihre fanatische Unterstützung der ersten Fußballmannschaft von Preußen Münster durch laute und entsprechend stimmbandfeindliche Anfeuerungsgesänge im Stadion bis hin zum zeitweiligen Anabolika-Missbrauch während ihrer Zeit als deutsche Polizeimeisterin im Kugelstoßen. Ihre Schwierigkeiten als Verantwortliche für die Fahrradausbildung und Verkehrserziehung an den Grundschulen und in Kindergärten, die in zahlreichen Beschwerden durch Eltern völlig verängstigter Kinder gegipfelt und schließlich zu ihrer Abberufung geführt hatten, lagen Annas Einschätzung nach aber weniger an Ilse Rakowskis Stimme als an ihrer rustikalen Wortwahl.
Sie erreichten inzwischen das für die flache Topografie des Münsterlandes recht hoch gelegene Tecklenburg, den ehemaligen Sitz der Grafen von Tecklenburg, die im schmalkaldischen Krieg auf der falschen Seite gestanden und ihre Selbstständigkeit verloren hatten. Dem Kreis Tecklenburg war es nach der Gebietsreform der Siebziger nicht anders ergangen. Man hatte ihn dem Kreis Steinfurt eingegliedert. Sehr selten konnte man noch Aufkleber mit dem Schriftzug »TE muss bleiben« auf den Autos sehen, aber die Zahl auf- rechter Tecklenburger
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