Der Teufel Von Muenster
Tür aufzubrechen oder die Mauer zu überklettern, gab es nicht. Schließlich war keine Gefahr im Verzug, und gegen Jürgen Tornhöven lag abgesehen von den Verdächtigungen durch Pamela Strothmann nichts vor. Und ob die wirklich stichhaltig waren, musste sich erst noch herausstellen.
»Ich glaube, wir sollten bei Tornhövens Privatadresse vorbeischauen«, schlug Anna vor. »Das dürfte deutlich ergiebiger sein, als darauf zu warten, dass sich hier noch irgendetwas tut.«
Haller umfasste einen der gusseisernen Gitterstäbe des Tors und stellte fest, dass es sich öffnen ließ. Es war ganz offensichtlich nicht abgeschlossen. Mühelos bewegte es sich und stand wenig später einen etwa einen Meter breiten Spalt weit offen. »Ich würde sagen, das ist so etwas wie eine Einladung«, fand Haller und machte die ersten Schritte nach vorn.
Die Scharniere des Tors quietschten, als Haller es so weit öffnete, dass er hindurchgehen konnte. Er war schon ein Dutzend Schrittweit auf das zur Villa der Neuen Templer gehörende Grundstück getreten, als er sich umdrehte. Anna stand noch immer am Tor und war ihm bisher nicht gefolgt.
»Was ist los?«
»Ist das denn alles rechtens so?«
»Interessiert es dich nicht, was hier los ist? Komm schon, ich mache nur das, was auch der Postbote tun würde, wenn die Klingel kaputt ist.«
»Die Klingel ist nicht kaputt.«
»Also, ich hatte schon das Gefühl.«
Anna überwand schließlich ihre Bedenken und folgte Haller, der allerdings nicht auf sie wartete. Er ging auf die Haustür zu. Auch dort gab es eine Klingel, die der Kriminalhauptkommissar betätigte. Anna holte ihn ein.
»Hier ist zurzeit niemand«, gab Anna ihrer Überzeugung Ausdruck.
Haller sah auf seine Armbanduhr. »Und ich dachte immer, die Zeit kurz nach Feierabend wäre genau das Richtige für Hobby-Okkultisten und Geheimtreffen von Sektierern, weil dann niemand mehr arbeiten muss. Aber vielleicht brauchen die einfachen Ritualteilnehmer ja sogar einen Zweitjob, um sich den Spaß leisten zu können und haben dann erst gegen Mitternacht Zeit, sich den dämonischen Mächten zu widmen.«
»He, Sie!«, rief eine heisere Stimme, der ein Husten folgte. Raucherhusten, glaubte Anna sofort zu erkennen. Sie hatte ein untrügliches Ohr dafür. Ihr Vater hatte jahrzehntelang geraucht, bis es ihm der Arzt nach dem ersten Herzinfarkt verboten hatte. Anna hatte lange Zeit unter der Vorstellung gelitten, wegen des jahrelangen Passivrauchens irgendwann an Lungenkrebs oder einer Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems sterben zu müssen, und war deswegen auch regelmäßig zum Arzt gegangen. Inzwischen hatte sie diese Check-ups auf einmal im Vierteljahr reduziert, was sie allerdings nicht davor bewahrte, von ihren Hausärzten regelmäßig für eine Hypochonderin gehalten zu werden, was dazu führte, dass sie relativ häufig den Arzt wechselte. Aber es war ja ohnehin vernünftig, auch andere Meinungen hinzuzuziehen.
Ein dicker Mann mit hochrotem Kopf und krausem grauem Haar kam hinter der Hausecke hervor und auf die beiden Besucher zu, und der erste Gedanke, der Anna nach der zielsicheren Raucherhusten-Diagnose kam, war der, dass sie illegal hier waren und es jetzt auf jeden Fall Ärger geben würde. Wenn etwas schiefging, dann in der Regel richtig. Aber das sollte Haller ausbaden. Sollte sich der Kripo-Mann doch eine gute Ausrede ausdenken. Eigentlich war das Kopf-in-den-Sand-Stecken beim Auftauchen von Schwierigkeiten etwas, was sie ihren Patienten niemals empfohlen hätte. Irgendwann während des Studiums hatte einer ihrer Professoren sie mit einem zynischen Statement sehr erbost, wonach ein Hinweisschild niemals in die Richtung laufen würde, in die es wies. Warum hätte man also von einem Ratgeber erwarten sollen, dass er unbedingt seine eigenen Ratschläge auch selbst befolgte? In diesem Moment verstand Anna zum ersten Mal die Wahrheit, die darin lag.
Der Mann näherte sich langsam, aber bemüht. Und er rang dabei nach Luft, hustete noch einmal und brauchte erst ein paar Augenblicke, um wieder sprechen zu können. Dass das nur in zweiter Linie an dem zum Asthma ausgewachsenen Raucherhusten und seinem Übergewicht lag, war bereits zu ahnen, denn in seinem Gesicht stand blankes Entsetzen.
Er trug eine braune Cordhose und ein kariertes Hemd, dessen erste drei Knöpfe offen waren, was ihm offenbar trotzdem nicht genug Luft zum Atmen verschaffte. In der Brusttasche des Hemdes steckte eine Packung Zigaretten. Er ist also einer von den
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