Der Teufel Von Muenster
die Neuen Templer wissen. Vor allen Dingen, ob es da in der Vergangenheit irgendwelche strafrechtlich relevanten Sachen gab. Wir haben inzwischen erfahren, dass Jennifer Heinze in der Sekte war. Deshalb wüsste ich gerne, ob irgendein anderes unserer Opfer etwas mit denen zu tun hatte. Wenn’s geht, flott! Danke.«
»Einen kooperativen Führungsstil nennt man das nicht gerade«, meinte Anna.
»Vollkommen richtig. Davon halte ich auch nicht viel«, sagte Haller. »Und davon abgesehen wird Klarheit häufig mit Autorität verwechselt. Das ist in Wahrheit aber was ganz anderes.«
»Na dann … Es sollte sich noch mal jemand über den Obduktionsbericht hermachen, Sven.«
»Wieso? Wir wissen, woran Jennifer Heinze gestorben ist.«
»Aber es könnte sein, dass die Rituale, von denen Pamela Strothmann gesprochen hat, Spuren hinterlassen haben. Spuren, die vielleicht nicht beachtet wurden, weil niemand sich vorstellen konnte, wonach eigentlich gesucht wird. Wir wüssten dann zumindest, ob Pamela Strothmann nur viel redet, oder ob an ihrer Aussage tatsächlich etwas dran ist.«
»Ich werde einfach direkt in der Gerichtsmedizin anrufen«, kündigte Haller an. »Um in dem Bericht noch mal nachzusehen, bin ich schlicht zu faul.«
»Ich glaube nicht, dass man sich dort darüber freuen wird, dass du die Berichte nur überfliegst.«
Haller klappte seinen Laptop zusammen. »Ich erledige das während der Fahrt«, sagte er.
Wenig später saßen sie wieder im Volvo, und Haller bog an einer Aral-Tankstelle in die Osnabrücker Straße ab, die ihren Namen schließlich in Osnabrücker Landstraße änderte.
»Keine Autobahn?«, fragte Anna.
»Nein. Die Zeitersparnis ist nicht der Rede wert. Und wenn wir direkt in die Stadt fahren, nehme ich lieber die Landstraße.«
Sie hatten den Teutoburger Wald durchquert, der hier nicht mehr als eine kleine Steigung war – was die Anwohner keineswegs davon abhielt von »Berg« zu sprechen. Anna hatte oft genug mitbekommen, wie Pfleger und Ärzte der westfälischen Kliniken darüber sprachen, von denen einige in Osnabrück und Umgebung ihren Wohnsitz hatten. Osnabrück und Niedersachsen lagen »hinter dem Berg«, niemand hätte gesagt: »Ich fahre über den kleinen Hügel.« Alles war eben relativ. Und wenn man als Lastwagenfahrer dumm genug war, bei Schnee und Eis ohne Winterreifen unterwegs zu sein, dann reichte selbst dieser kleine Hügel in Kombination mit der für die hiesigen Verhältnisse typischen Schneetiefe zwischen einem und maximal zwei Zentimetern vollkommen aus, um die Reifen eines Sattelschleppers durchdrehen zu lassen und die Osnabrücker Landstraße an der ersten kleinen Steigung zu blockieren.
Haller telefonierte während der Fahrt mit Dr. Eugen Wittefeld, dem Chef des gerichtsmedizinischen Instituts. Wie üblich benutzte er dabei nicht die Freisprechanlage, und Anna überlegte schon, ob Haller vielleicht deswegen die Landstraße wählte, weil er dort mit geringerer Wahrscheinlichkeit auf Kollegen traf, die dort Streife fuhren.
Das Gespräch mit Dr. Wittefeld war etwas zäh. Er schien wenig Verständnis dafür zu haben, dass er Haller seinen Bericht erklären musste, an dem es nach Meinung des Gerichtsmediziners offenbar nichts zu erläutern gab. Eine alte Mediziner-Krankheit, dachte Anna.
Aber schließlich konnte Haller in Erfahrung bringen, was ihn interessierte. »Es gibt Spuren von Fesselungen an Hand- und Fußgelenken«, sagte er dann. »Allerdings schienen die bisher nicht im Zusammenhang mit dem Fall zu stehen, und auch Dr. Wittefeld hat sie eindeutig als tat-irrelevante Merkmale definiert.«
»Das übliche Problem also.«
»Wie?«
»Zu frühe Festlegung«, erläuterte Anna. »Der häufigste Ermittlungsfehler. Man schließt bestimmte Beweise von vornherein aus, weil man schon glaubt, zu wissen, was sich ereignet hat. Wenn man erkennt, dass man falschlag, ist es dann häufig schon zu spät.«
»Das habe ich auch in meiner Ausbildung gelernt. Sag bloß, da gibt es sogar eine empirische Untersuchung darüber.«
»Die gibt es bestimmt, auch wenn ich jetzt nicht auswendig die Stelle in der Fachliteratur zitieren könnte.«
Anna nutzte die Fahrt ebenfalls für ein Telefongespräch. Sie rief die Handynummer von Frank Schmitt an. Na, komm schon, melde dich, dachte sie etwas ungeduldig, ehe sie schließlich auf eine Mailbox weitergeleitet wurde. »Branagorn? Ich hoffe, Sie hören sich diese Meldung auch irgendwann einmal an. Ich wollte eigentlich nur wissen, ob
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