Der Teufel Von Muenster
Hinsicht bisher offenbar vorgegangen war, beschämte ihn nun manchmal, und er fragte sich, wie er sich dazu nur hatte hinreißen lassen können. Umso höher war es dieser Frau anzurechnen, dass sie ihn zuletzt nicht mehr brüsk zurückgewiesen hatte, wenn er sich doch erdreistete, sie bei ihrem Seelennamen zu nennen, den sie in einer anderen, durch die Abgründe von Raum und Zeit getrennten Welt bekommen hatte, die für die Menschen dieser Zeit und gedanklichen Haltung jenseits aller Vorstellungskraft war.
Immerhin erfüllte Branagorn nach diesem Gespräch ein Gefühl innerer Verbundenheit. Die gedankliche Nähe, die in Annas Worten seinem Gefühl nach zum Ausdruck gekommen war, erfüllte ihn mit Zuversicht. Er glaubte jetzt nicht nur, dass er in der Lage sein würde, in ihr das wahre Ich ihrer Seele zu erwecken, sondern hatte auch neue Hoffnung gefasst, dass sich Cherenwens Seele ihm wieder ganz zuwenden würde. So, wie es schon einmal gewesen ist, dachte er.
Bevor er sich diesen eher ihn persönlich betreffenden Problemen widmen konnte, musste jedoch auf jeden Fall der Traumhenker unschädlich gemacht werden. Für Branagorn war dies von allerhöchster Dringlichkeit. Es durfte einfach nicht geschehen, dass dieser finstere Gegner sich erneut erdreistete, den Herrn über Leben und Tod zu geben.
Aber genau darin schien diese Wesenheit sich zu gefallen.
Er genoss es, seine Macht aus dem Verborgenen heraus zu entfalten – vielleicht auch deshalb, weil er sehr genau spürte, dass dadurch die Furcht und der Schrecken, die er verbreitete, viel wirkungsvoller wurden. Branagorn war entschlossen, dieser Macht die Stirn zu bieten.
Während er die Nordwalder Straße entlangging, entschied er, dass es keine gute Idee wäre, jetzt noch einmal das Haus zu besuchen, in dem Sarah Aufderhaar mit ihrer Schwester und der eigenartige A. Gross wohnten.
Und davon abgesehen war es vielleicht wirklich zu früh, nur einer einzigen Spur zu folgen. Einer Spur, die aus einem Haar bestand, das jenem auf der Planwiese in Telgte zwar sehr ähnlich in Farbe und Beschaffenheit war, aber von dem selbst Branagorns überaus scharfe Augen nicht mit Sicherheit zu sagen vermochten, ob es auch von derselben Person stammte. Das konnten allein die Alchemisten in den Laboratorien, die von den Hütern der Ordnung unterhalten wurden, mit letzter Sicherheit sagen. Davon abgesehen mochte es ja auch sein, dass Jennifer Heinze dieses Haar bei anderer Gelegenheit in jenem Haus verloren hatte – was Branagorn zu der Frage führte, was sie dort wohl gesucht haben mochte, und ob ihr Besuch dann nicht doch mit ihrem Tod in irgendeinem Zusammenhang stand. Schließlich konnte man davon ausgehen, dass der Hausflur regelmäßig gereinigt wurde. Ging man davon aus, dass diese Reinigung wöchentlich erfolgte, hatte man einen zeitlichen Rahmen.
Nein, ich muss zuerst mehr erfahren, wurde es Branagorn klar. Wenn er jetzt das Haus in der Nordwalder Straße erneut aufsuchte, hatte er nur mit hysterischen Reaktionen und einer Verhaftung durch die Hüter der Ordnung zu rechnen. Vielleicht auch mit einer zwangsweisen Untersuchung und Einweisung in ein Hospital für Seelenleiden. Nicht dass Branagorn im Prinzip etwas gegen einen Aufenthalt dort gehabt hätte, denn bei den Türmen in Lengerich hatte er sich ja stets sehr wohlgefühlt. Aber im Moment wäre das seinem Ziel, den Traumhenker zu stellen, sicherlich nicht dienlich gewesen.
Er konnte schließlich froh sein, den hiesigen Hütern der Ordnung entronnen zu sein, ohne dass man ihn seines Schwertes unter fadenscheinigen Begründungen enteignet hatte, so wie es in Telgte geschehen war. Denn dem Bösen ganz ohne magisches Artefakt entgegenzutreten, das wollte Branagorn dann besser doch nicht wagen. Zumindest nicht, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ. Und in diesem Punkt waren die Gesetze glücklicherweise auf seiner Seite.
Ich muss mich noch einmal mit Nadine Schmalstieg unterhalten, entschied Branagorn.
Bis zu ihrer Adresse war es nicht weit. Branagorn bog in eine Straße namens Haselstiege und kam an einem Friedhof vorbei. Schließlich erreichte er die Adresse der Heilschwester. Der Zahn der Zeit hatte unverkennbar an dem Haus genagt, und es fehlte offenbar an den nötigen Mitteln, um es richtig instand zu halten. Ob nun magische Mittel oder finanzielle angewendet wurden, war nach Branagorns Auffassung zweitrangig, auch seiner Ansicht nach war es einfach eine Tatsache, dass Gebäude, zu deren Erhalt keine
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