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Der Teufel Von Muenster

Der Teufel Von Muenster

Titel: Der Teufel Von Muenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Anstrengungen unternommen wurden, langsam, aber sicher verfielen. Die Fassade war grau und unansehnlich. Gewiss war der letzte Anstrich zwanzig oder dreißig Jahre her. Die Wände waren von wildem Wein überwuchert. Das Haus lag im Schein einer Straßenlaterne, deren Helligkeit die Zeichen des Verfalls selbst zu dieser späten Stunde in aller Deutlichkeit offenbarte. Hier und da waren schwarze Linien zu sehen. Branagorn war sicher, dass es sich um mäandernde Risse im Mauerwerk handelte.
    Auch der Vorgarten wirkte vernachlässigt und konnte mit den gepflegten Anlagen der Nachbargrundstücke in keiner Weise mithalten. Sträucher wucherten empor, und so manch einer der Bäume, die auf dem Grundstück standen, war morsch und wäre durch keinen wohlmeinenden Zauber mehr zu retten gewesen. Zumindest war das Branagorns Ansicht, der sah, wie sich die Kronen schattenhaft im Wind bewegten. Er lauschte dem Knarren der Äste und war überzeugt davon, den mangelhaften Zustand der Bäume schon daran zweifelsfrei erkennen zu können. Irgendeinem der kommenden Herbststürme würden sie zweifellos nachgeben und brechen, wenn nicht in diesem, dann im Jahr darauf.
    Branagorn blieb abrupt stehen.
    Zwei Fahrzeuge standen in der Einfahrt des Hauses. An der Haustür befand sich eine weitere Laterne, die auch jetzt noch schonungslos offenbarte, wie die Fugen zwischen den Steinplatten in der Einfahrt und auf dem schmalen Weg zur Haustür von Moos überwuchert waren. Bei dem einen Fahrzeug handelte es sich um Nadine Schmalstiegs Wagen. Zumindest ging Branagorn davon aus, auch wenn er das Nummernschild nicht sehen konnte, dessen Kombination aus Zahlen und Buchstaben er sich selbstverständlich schon auf dem Parkplatz am Marienhospital gemerkt hatte. Das zweite Fahrzeug war der Geländewagen von Timothy Winkelströter. Dessen Nummernschild war klar und deutlich im Licht der Straßenlaterne zu erkennen, und so konnte es keine Zweifel daran geben.
    Offenbar hatte Timothy Winkelströter die Heilschwester also besucht und war jetzt auch noch im Haus. Kein günstiger Moment für eine Unterredung, überlegte Branagorn. Schließlich war das letzte Zusammentreffen mit Timothy nicht ganz konfliktfrei verlaufen, und es war wohl nicht ratsam, die offenbar recht stark ausgeprägten Ressentiments, die dieser Mann Branagorn gegenüber zu haben schien, noch anzuheizen.
    Branagorn griff zu seinem Handy, das er stets nur sein sprechendes Artefakt nannte, und wählte die Nummer, die er auf einer Stellwandnotiz im Polizeipräsidium gesehen und sich gemerkt hatte.
    Nadine nahm ab.
    »Ja, wer ist da?«, fragte sie.
    »Ich muss mit Euch reden, werte Heilschwester«, erklärte Branagorn. »Und zwar über die Frau aus dem Geschlecht der Aufderhaar, von der Ihr mir berichtet habt …«
    »Herr Schmitt, das geht jetzt nicht. Wirklich nicht.«
    »Ist das wieder dieser Spinner?«, hörte Branagorn im Hintergrund Timothys Stimme fragen. »Den sollte man einsperren!«
    »Ihr seid in Schwierigkeiten?«
    »Nicht in solchen, die ich nicht selber lösen könnte«, gab sie zur Antwort.
    »Ich hatte schon befürchtet, dass es zurzeit ein unpassender Moment für eine Unterredung ist. So gehabt Euch wohl und ruht gut, sofern Euch dies das Schicksal gestattet.«
    »Auf Wiederhören, Herr Schmitt.«
    »… und falls Ihr Hilfe benötigt, so zögert nicht, auf dem sprechenden Artefakt die Zeichen erscheinen zu lassen, die mich rufen.«
    Die Verbindung war unterbrochen.
    Branagorn fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, die Heilschwester ihrem Schicksal überlassen zu müssen. Ein nicht näher zu begründendes Unbehagen machte ihm zu schaffen, das sich in einem drückenden Gefühl in der Magengegend äußerte. Eine dunkle Vorahnung kommenden Unheils? Eine Warnung der empfindlichen Elbensinne, für die es unter den Menschen zum Teil nicht einmal eine annähernde Entsprechung gab? Oder war das alles, zusammen mit den eigenartigen Geräuschen in seinem Bauch letztlich doch nur der Tatsache geschuldet, dass er schon länger nichts mehr gegessen hatte?
    In diesem Moment verlosch das Licht der Straßenlaternen.
    Eine kommunale Sparmaßnahme, die das angeblich so finstere Mittelalter noch nicht kannte, dachte Branagorn.

Die Nacht der Toten

    Branagorn ging zurück zum Friedhof. Dort, so nahm er sich vor, wollte er die Stunden bis zum Morgengrauen verbringen. Er musste damit rechnen, dass Timothy unter Umständen die ganze Nacht bei Nadine blieb und sich dementsprechend auch in der Frühe

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