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Der Teufel Von Muenster

Der Teufel Von Muenster

Titel: Der Teufel Von Muenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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nicht die Möglichkeit eines Gesprächs ergab. Aber selbst wenn das der Fall war, konnte er ja abwarten, bis Timothy davongefahren war.
    Branagorn betrat den Friedhof und suchte nach einer Bank. Auf vielen Friedhöfen standen Parkbänke, und es gab keinen Grund, weshalb das in diesem Fall nicht so sein sollte. Der Mond stand inzwischen hoch am Himmel. Es waren kaum Wolken zu sehen, und so schimmerten die Grabsteine im fahlen Mondlicht. Branagorn mochte die Atmosphäre von Friedhöfen und hielt sich gerne dort auf, wenn er Ruhe und innere Einkehr suchte. Das eine oder andere Mal hatte ihm das schon Ärger eingetragen, denn aufgrund seiner ungewöhnlichen Gewandung vermutete man schnell, dass er vielleicht zu denen gehörte, die diese Stätten dazu missbrauchten, irgendwelche okkulten Rituale abzuhalten, oder einfach nur durch das Umstürzen von Grabsteinen auf sich aufmerksam machen wollten.
    Interessiert las er den einen oder anderen Spruch, der in die Grabsteine als letztes geistliches Geleit graviert worden war. Anhand der Namen und der angegebenen Geburts- und Sterbedaten versuchte Branagorn sich dann so genau wie möglich vorzustellen, wer dort wohl zu Grabe getragen worden war. Seine Vorstellungskraft war dabei so groß, dass er die Toten dann regelrecht vor sich zu sehen glaubte. Wie Geister, die für eine kurze Frist aus dem Jenseits zurückgekehrt waren.
    Manchmal unterhielt er sich dann mit den Geistern der Toten. Sie waren verständnisvolle, vorurteilsfreie Zuhörer, die ihn nicht unterbrachen, sich nicht über seine Ausdrucksweise wunderten und ihn besser zu verstehen schienen als alle lebenden Wesen dieser Welt. Vielleicht war es der Abstand zur Welt der Lebenden, der den Toten diesen klaren, toleranten Blick verlieh – so hatte Branagorn oft überlegt. Und vielleicht verstanden sie auch seine Fremdheit in dieser Welt besser als jeder andere, denn schließlich waren die Toten doch auch Fremde im Jenseits und hatten sich an die dortigen Gegebenheiten zu gewöhnen.
    Branagorn erinnerte sich, einmal gegenüber einem der Therapeuten in Lengerich seine Angewohnheit, auf Friedhöfen mit den Toten zu sprechen, erwähnt zu haben, woraufhin ihn dann der Therapeut auf frühkindliche Verlustängste angesprochen hatte. Aber davon hatte Branagorn nichts hören wollen. Genau genommen hatte davon nicht einmal der Teil von ihm, der sich vielleicht doch ein bisschen durch den Namen Frank Schmitt angesprochen fühlte, etwas hören wollen.
    Während ihm all das durch den Kopf ging, ließ sich Branagorn auf einer Bank nieder, nachdem er genauestens überprüft hatte, dass sie nicht durch Vogelkot oder irgendetwas anderes verunreinigt war.
    Er sah für einen Moment ein Augenpaar vor sich. Augen, die von einem mörderischen Wahn gezeichnet waren. Augen, die Fenster zu einer Seele waren, von der der Traumhenker Besitz ergriffen hatte …
    Nein!, dachte er. Jetzt nicht … nicht diese Gedanken … nicht in diesem Augenblick … Branagorn spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach.
    Er murmelte eine Folge von Silben. Eine Formel, die ihm half, sich zu konzentrieren und die Macht des Traumhenkers abzuwehren.
    Du bist ihm begegnet, und er wird auf ewig in deinen Gedanken sein, rief Branagorn sich ins Gedächtnis. Und der Kampf gegen ihn wird nie vorbei sein … Er wird in deinem Inneren ewig weitertoben, selbst wenn es dir gelingen sollte, die Mörderseele zu stellen.
    Die Erkenntnis war deprimierend.
    Schlurfende Schritte rissen Branagorn aus seinen Gedanken. Eine abgerissene Gestalt trat in den Schein des fahlen Mondlichts. Ein Mann mit wilden Haaren schob einen Einkaufswagen vor sich her, in dem er offenbar seinen gesamten Besitz verstaut hatte.
    Der Bärtige trug eine fleckige Baseballmütze, und der dünne Regenmantel reichte fast bis zu den Knöcheln. Aus der Seitentasche ragte der Hals einer Bierflasche.
    »He, was machst du denn hier?«, empörte sich der Mann. »Was hast du hier zu suchen, verflucht noch mal?«
    »Ich ruhe aus«, erklärte Branagorn. »Und mich dünkt, dass Ihr eine ähnliche Absicht hegt.«
    »Du laberst ziemlich geschwollen«, meinte der Bärtige, »aber im Prinzip hast du recht.«
    »Soweit ich gesehen habe, gibt es auf diesem Friedhof noch ein paar andere Bänke, die Euch zur freien Verfügung stehen, werter Herr.«
    » Werter Herr – wir wollen mal nicht übertreiben. Ich bin der Klaus.«
    »Mein Name ist Branagorn.«
    »Das ist aber ein seltsamer Name. Aber nicht so schlimm wie Justin-Jason oder

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