Der Teufel Von Muenster
er die Folgen seiner Tat.«
»Sie sagen das so, als würden Sie gar nicht in Betracht ziehen, dass Tornhöven unser Mann sein könnte.«
»Das weiß ich nicht«, gestand Anna. »Vielleicht ergeben sich ja durch Sichtung des Originalmaterials durchaus auch noch weitere Hinweise, die auf Tornhöven deuten. Da bin ich völlig unvoreingenommen.«
Raaben musterte sie. Anna bemerkte erst jetzt die Aufschrift seines T-Shirts. »Ich bin ein Killerspiel-Spieler« war da in so bluttriefenden Lettern zu lesen, dass man sie kaum erkennen konnte. Als er sich kurz umdrehte, las sie auf der Rückseite des T-Shirts die Fortsetzung: »Nein, ich plane keinen Amoklauf!«
Manche müssen wohl um jeden Preis cool sein, ging es Anna durch den Kopf. Nur ja locker wirken und nicht so, wie nun mal der Großteil derjenigen war, die das Polizeipräsidium als ihren Arbeitsplatz bezeichneten. Dann war Anna doch die offensiv demonstrierte Form der Spießigkeit lieber als diejenige, die sich hinter einer Maske aus Lockerheit, Coolness und exakt geplanter Spontaneität tarnte.
Schluss jetzt mit der Daueranalysiererei, dachte sie dann. Warum Kevin Raaben ein dämliches T-Shirt trug, anstatt ein Hemd, an dessen zu knapper Passform man erkennen konnte, dass es vielleicht zehn Jahre alt war und seinem Träger damals wohl auch gepasst hatte, konnte ihr schließlich gleichgültig sein. Auch wenn Beamte mit solchen knappen Hemden eigentlich immer einen Vertrauensvorschuss verdient hatten, wie Anna fand, denn sie demonstrierten ja schon im persönlichen Bereich Sparsamkeit und Effektivität.
Der Grund dafür, dass es Anna im Moment doch ziemlich schwerfiel, sich keine Gedanken mehr darüber zu machen, was die konstituierenden Bestandteile von Kevin Raabens Charakter waren, lag vielleicht daran, dass sie den Eindruck hatte, dass er im Moment versuchte, ihr Verhalten zu analysieren.
Und das war etwas, was sie immer höchst irritierend fand.
Es verunsicherte sie in ihrer Therapeutenrolle und ihrer professionellen Identität, die sie sich mit so viel Mühe und Akribie aufgebaut hatte. Dabei spielte es auch überhaupt keine Rolle, wer diese Rollenumkehrung versuchte.
Dann erschien etwas in Kevin Raabens Gesicht, was man für ein flüchtiges Lächeln halten konnte.
Ein sogenannter Recognition-Reflex.
Er deutete mit dem Zeigefinger auf sie, was im Moment für Anna nicht bedrohlicher hätte wirken können, als wenn es sich um den Lauf einer Pistole gehandelt hätte. »Das Video-Zeug soll dieser Elbenspinner sehen, habe ich recht?«
Es war eine rhetorische Frage.
Anna stotterte irgendetwas herum, was sich nicht einmal ansatzweise nach einer professionellen Stellungnahme anhörte. Nicht einmal nach einem ganzen Satz, wenn man es genau nahm. Es war einfach nur unsinniges Gestammel, das schließlich verstummte.
Kevin Raaben zwinkerte ihr zu. »Macht nichts. Ich weiß von nichts. Und Sven ja auch nicht.«
»Ja, also …«
»Wenn Sie einen Stick dahaben, ziehe ich es Ihnen drauf. Für einen E-Mail-Anhang ist die Datei etwas zu voluminös.«
»Danke«, sagte Anna und gab ihm ihren Schlüsselbund. »Wenn man auf die Metallfläche des Anhängers drückt, kommt der USB-Anschluss hervor.«
»Ein Scherzartikel, was?«
»Ein Werbegeschenk meiner Autowerkstatt. Wenn Sie mir die Datei gleich kopieren, wäre das sehr freundlich.«
»Kein Problem – aber ich dachte eigentlich, wir sagen du – Anna. «
***
Dunkelheit senkte sich über Borghorst. Branagorn war schon seit geraumer Zeit unterwegs. Nachdem ihn die Polizei als offensichtlich harmlos entlassen hatte, ging er die Straßen entlang, den Blick dabei die meiste Zeit auf den Boden gerichtet und tief in Gedanken versunken. Er war höchst konzentriert und überlegte, was zu tun sei. Auf dem Weg zurück in die Nordwalder Straße war Branagorn entschlossen gewesen, seine Nachforschungen unbeirrt fortzusetzen – und zwar am besten dort, wo er damit aufgehört hatte. Genau so hatte er sich auch in dem kurzen Gespräch geäußert, das er mit Hilfe des sprechenden Artefakts mit seiner geliebten Cherenwen geführt hatte, die allerdings in dieser Welt darauf bestand, dass ihr wahres Ich Anna van der Pütten war. Und vielleicht, so überlegte Branagorn nicht zum ersten Mal, war es sogar besser, dies zunächst ungeachtet der wahren Tatsachen zu akzeptieren. Man musste Anna Zeit geben. Zeit, um zu erkennen, wer sie wirklich im Innersten ihrer Seele war. Die geradezu unelbische Hast, mit der Branagorn in dieser
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