Der Teufel Von Muenster
um die Wurst, und unsere Psychologin hat nichts Besseres zu tun, als sich mit dem Lieblingsirren der Saison zu unterhalten, anstatt vielleicht mal das Augenmerk auf die Reaktionen unseres Verdächtigen zu richten.«
Anna schluckte. »Tut mir leid … Sven.« Das klang steif und unbeholfen. Anna wusste selbst, was für einen katastrophalen Eindruck sie im Moment gerade hinterlassen hatte. Und die betonte Nennung des Vornamens wirkte eher wie ein Zeichen dafür, wie tief die Distanz zwischen ihnen in Wahrheit war, als dass es so etwas wie persönliche Nähe unterstrichen hätte.
Einen Moment lang überlegte Anna, ob sie Haller davon berichten sollte, dass Branagorn eigene Ermittlungen in Borghorst anstellte. Aber um das zu erwähnen, blieb Anna dann gar keine Gelegenheit.
Kevin Raaben kam auf den Kriminalhauptkommissar zu.
»Sven, hast du einen Moment Zeit?«
»Kommt drauf an. Wir sind gleich beim Staatsanwalt, und wenn wir Glück haben, wird heute noch ein Haftrichter dafür sorgen, dass Jürgen Tornhöven erst mal in der Zelle bleibt.«
»Deswegen sollst du dir das hier ansehen, Sven«, hakte Raaben ein. Er hatte ein paar Vergrößerungen von Fotos in der Hand. Anna war neugierig und warf ebenfalls einen Blick auf die Bilder.
»Das ist ein Bild vom Mittelalter-Markt«, stellte sie fest.
Raaben bestätigte dies. »Exakt. Und in der Vergrößerung erkennt man unter all den Gaffern einen ziemlich neugierigen Kerl, auch wenn er die Lederkappe mit der Fasanenfeder weit ins Gesicht gezogen hat.«
»Hat entfernte Ähnlichkeit mit Kevin Costner als Robin Hood, würde ich sagen«, meinte Haller. »Obwohl ich persönlich Errol Flynn in dieser Rolle immer viel besser fand.«
»Tornhöven!«, entfuhr es Anna.
»Trotzdem, wenn wir nicht mehr finden, werden wir Tornhöven morgen freilassen müssen«, sagte Raaben.
Anna musste ihm insgeheim recht geben. Schließlich arbeitete sie inzwischen lange genug mit der Polizei zusammen, um mit den Prozeduren vertraut zu sein. Und zurzeit war Jürgen Tornhöven rein rechtlich gesehen aufgrund der Verdachtsmomente, die sich in der Villa und durch die Befragung von Pamela Strothmann in Tecklenburg ergeben hatten, nur vorläufig festgenommen. Und wenn sich dieser Verdacht nicht zu einem sogenannten dringenden Tatverdacht erhärten ließ, dann war Tornhöven im Verlauf des folgenden Tages freizulassen. Die berühmten vierundzwanzig Stunden, die in Fernsehkrimis oft fälschlicherweise genannt wurden, spielten dabei keine Rolle. Die Deadline endete am folgenden Tag um vierundzwanzig Uhr. Aber vielleicht konnten bis dahin weitere Hinweise gesammelt werden. Insbesondere war mit ersten Ergebnissen an den sichergestellten Dolchen und Würgeschlingen zu rechnen, und davon abgesehen war eine Reihe von Beamten sowohl in Osnabrück als auch in Münster dazu abgestellt worden, andere Mitglieder der Neuen Templer zu befragen. Außerdem war ein Computer sichergestellt worden und man würde den Zahlungsverkehr auf den Konten der Sekte dahingehend überprüfen, ob vielleicht andere Opfer des Barbiers für die Durchführung von Ritualen bezahlt hatten oder in irgendeiner anderen näheren Verbindung zu dieser Vereinigung standen.
»Kann ich das Bild mal aus der Nähe sehen?«, fragte Anna.
»Ja, bitte«, sagte Raaben und reichte es ihr. »Es handelt sich um einen Ausschnitt aus einem Videoschwenk, und es war gar nicht so leicht, den Kerl in der Menge zu finden.«
»Einen Moment«, sagte Anna, als Raaben schon wieder verschwinden und ihr das Bild wieder abnehmen wollte.
In der Zwischenzeit war Haller von einem anderen Beamten angesprochen worden, den Anna nicht namentlich kannte. Haller sagte ziemlich genervt: »Ich brauche jetzt erst mal einen Kaffee …«, und ging dann hinaus. Der Beamte, ein blasser Mann in kariertem Hemd und – trotz der warmen Witterung – mit Strickjacke, folgte ihm.
Anna wartete, bis die beiden den Raum verlassen hatten. Dann wandte sie sich wieder an Kevin Raaben. »Können Sie mir eine Kopie des Videodrehs vom Tatort geben?«
»Was wollen Sie denn damit?«
»Mir ansehen.«
»Ja, aber …«
»Vielleicht erkenne ich Leute, die sich irgendwie verdächtig verhalten oder so. Unter psychologischen Gesichtspunkten, wenn Sie verstehen, was ich meine. Irgendetwas, was auffällig ist. Denn zu den wenigen Dingen, die wir mit Sicherheit sagen können, gehört das Faktum, dass der Täter auf der Planwiese gewesen ist.« Anna zuckte mit den Schultern. »Vermutlich beobachtet
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