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Der Teufel Von Muenster

Der Teufel Von Muenster

Titel: Der Teufel Von Muenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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zurück zur Nasenwurzel. Irgendwie schien seine Brille nicht für seine relativ schmale und in einem steilen Winkel abfallende Nase geschaffen zu sein, sodass Meyer zu Gentrup ungefähr alle paar Minuten damit beschäftigt war, die Brille wieder in die Position zu bringen, die für einen klaren Durchblick passend war.
    »Einen Nachnamen wissen Sie nicht zufällig?«, fragte Anna.
    »Nein«, gestand Branagorn. »Aber möglicherweise weilt er sogar noch auf dem nahen Friedhof, und wenn nicht, so ist damit zu rechnen, dass er bald wieder auftaucht, denn er scheint die Gesellschaft der Totengeister regelmäßig in Anspruch zu nehmen, da er sich in ihrer Gegenwart sehr wohlfühlt.«
    »Wir können ja nachher mal sehen, ob der Kerl dort irgendwo ist«, sagte Meyer zu Gentrup.
    »Schildern Sie mir jetzt bitte alles von Anfang an, Branagorn.«
    »Wie Ihr wollt, werte Cherenwen.«
    ***

    Sven Haller war zur selben Zeit gerade damit beschäftigt, einen Mann mit langen und leicht gewellten Haaren zu befragen. Haller tippte auf einen pensionierten Akademiker. Wahrscheinlich Studienrat, zu mehr fehlte diesem Typ einfach wohl der Ehrgeiz. Wer sich schon nicht entscheiden konnte, ob er ein richtiger Hippie oder doch nur ein verbeamteter Schmalspur-Linker werden sollte, der war sicherlich auch nicht das Risiko eingegangen, sich bis in die vierziger mit Assistentenstellen über Wasser zu halten, bis dann die Habilitationsschrift in irgendeinem obskuren gesellschaftswissenschaftlichen Seitenzweig tatsächlich fertig wurde und der betreuende Professor bis dahin noch nicht verstorben war.
    Der Mann hieß Jobst Fleischer, betonte aber, er sei von Beruf niemals Fleischer gewesen, sondern eigentlich sogar eher Vegetarier, da er sich zu neunzig Prozent von dem ernähren würde, was er eigenhändig in seinem Garten anbaute.
    »Ich sag immer: Selbstgezogen schmeckt besser, und wenn man sich eigenhändig vergiftet, ist das auch in der eigenen Verantwortung.«
    »Tja, so habe ich das noch nie gesehen«, sagte Haller.
    Jobst Fleischer war ein hagerer Mann mit grauen Haaren und einer Strickjacke, die aussah, als wäre bei ihrer Herstellung jeder nur erdenkliche Wollrest eingestrickt worden. Eine Patchwork-Jacke, bei der weder auf farbliche Zusammenstellung noch auf so etwas wie Passform irgendeine Rücksicht genommen worden war. Vermutlich war die Jacke ein Geschenk, dachte Haller. Ein Geschenk, von dem Jobst Fleischer aus irgendeinem Grund dachte, dass er es nicht ablehnen konnte, es auch zu benutzen. So etwas kannte eigentlich jeder. Der kratzende Pullover von der Oma, den man dann zu ihrem Besuch tragen musste, egal, ob die meteorologischen Gegebenheiten das auch in angemessener Weise rechtfertigten. Aber Haller fand, dass man mit Ende sechzig – auf dieses Alter schätzte der Kriminalhauptkommissar den Mann – aus dieser Phase eigentlich raus sein sollte. Doch vielleicht war das etwas anderes, wenn man mit der rücksichtslosen Schenkerin eine Beziehung hatte, in der man unangenehmen und langwierigen Diskussionen im Interesse des Friedens eher aus dem Weg ging.
    Fleischer wohnte drei Häuser weiter – bezogen auf die Adresse von Nadine Schmalstieg. Der Vorgarten unterschied sich kaum von denen anderer Häuser in der Gegend. Der Rasen war kurz geschnitten, und es gab ein paar widerstandsfähige Zierpflanzen, die nicht viel Pflege verlangten. Die Anbaugebiete von Fleischers Nutzgarten mussten sich auf der Rückseite des rot verklinkerten Reiheneckhauses befinden.
    Haller und Fleischer standen vor dem Haus. Fleischer stützte sich auf eine Hacke. Was er damit auf dieser Seite des Hauses eigentlich wollte, war Haller schleierhaft. Wahrscheinlich diente dieses Werkzeug einfach nur dazu, ihm ein Alibi zu verschaffen, das es ihm gestattete, im Vorgarten zu stehen und ungeniert zu gaffen.
    »Wollen Sie hereinkommen?«, fragte eine Frau, die wie ein weiblicher Zwilling ihres Mannes aussah. Sie hatte die gleiche hagere Figur, die gleichen gewellten grauen Haare und fleckigen Jeans, deren Schnitt noch den Schick der frühen Achtziger erkennen ließ und die bewiesen, wie nachhaltig man mit einem Stück gewebter Baumwolle doch umgehen konnte und was Nachhaltigkeit wirklich bedeutete. Die Strickjacke, die sie trug, passte in ihrer Machart zu der ihres Mannes. Haller fühlte sich jetzt bestätigt. Die Offensiv-Strickerin, deren Werke den schmalen Grad zwischen Relativität und Chaos auszuloten versuchten, war zweifellos entlarvt. Mit der Entlarvung des

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